Passivhaus-Wohnerfahrungen
Wohnen im Passivhaus
- ist das etwas Besonderes? Braucht es gar besondere Menschen für
ein solches Gebäude? In der Zwischenzeit leben viele Bewohner
bereits seit mehreren Jahren in Passivhäusern, so dass diese
Fragen mit sozialwissenschaftlichen Methoden systematisch behandelt
werden können. Die Grundgesamtheit ist groß genug, um
statistisch signifikante Aussagen zu erhalten. Die 7. Passivhaustagung
ermöglicht die Diskussion mit den Projektleitern der sozialwissenschaftlichen
Validierung von vier Passivhauskomplexen (AG VII). Ein besonderer
Punkt in der Debatte ist seit Jahren die Bedeutung der Fensterlüftung
in besonders energieeffizienten Gebäuden, vor allem im Zusammenhang
mit Wärmerückgewinnungsanlagen. Bringen die Nutzer das
gesamte Konzept durcheinander und macht die effiziente Wohnungslüftung
gar keinen Sinn? Das Passivhaus-Konzept würde dann nicht zufriedenstellend
funktionieren - die messtechnisch begleiteten Projekte beweisen
aber, dass sowohl ein hoher Wohnkomfort als auch extrem niedrige
Energiekennwerte erreicht werden. In Arbeitsgruppe V wird Licht
in diese Debatte geworfen.
Arbeitsgruppe
VII: Wie fühlen sich die Bewohner? Validierungsforschung
Behaglich, kostengünstig
und umweltfreundlich – Passivhäuser wollen auch und vor
allem in Bezug auf den Wohnkomfort Maßstäbe setzen. Werden
die gebauten Passivhäuser diesem Ziel gerecht? Sind die Bewohner
zufrieden und geben ihre Erfahrungen an andere weiter? Wie gehen
die Bewohner mit ihren Passivhäusern um? Was ist den Bewohnern
besonders wichtig, wo gibt es Kritikpunkte? Was also können
wir in Bezug auf zukünftige Projekte lernen?
Mittlerweile liegen eine
ganze Reihe bereits seit Jahren bewohnter Passivhausprojekte vor,
bei denen die Bewohner befragt werden konnten. In dieser Arbeitsgruppe
wird ein Querschnitt verschiedener Bauprojekte ebenso wie unterschiedlicher
sozialer Milieus präsentiert:
Klaus Danner
untersuchte die Passivhaussiedlung in Hannover, eines der CEPHEUS-Projekte,
aus dem auch Messergebnisse zum tatsächlichen Energieverbrauch
vorliegen (Bild 1). Michael Gräppi, Stephan Künzli
und Reto Meyer befragten Passivhausbewohner in der Schweiz,
Österreich und Deutschland zu ihren Wohnerfahrungen (Bild 2).
Sylke Hallmann führte eine vergleichende Längsschnitt-Untersuchung
durch, in der sowohl Passivhäuser als auch Niedrigenergiehäuser
der seit 1998 bewohnten Siedlung in Wiesbaden sowie eine weitere
Kontrollgruppe einbezogen waren (Bild 3). Schließlich untersuchten
Andreas Hermelink und Hartmut Hübner das Mehrfamilienpassivhaus
im sozialen Mietwohnungsbau in Kassel-Marbachshöhe - auch dies
ein CEPHEUS-Projekt mit umfassenden Messergebnissen.
Unterscheiden sich die
verschiedenen Bewohnergruppen in Bezug auf ihren Umgang und ihre
Erfahrungen mit Passivhäusern? Sind Passivhausbewohner eine
besonders motivierte Gruppe von Menschen, unterscheiden sie sich
von Nutzern anderer Häuser? Die Diskussion in AG VII verspricht
interessant zu werden.
Arbeitsgruppe V: Fensterlüftung
im Passivhaus?
Passivhäuser haben
eine kontrollierte Lüftung mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung.
Daher brauchen die Fenster im Winter nicht geöffnet zu werden
– und die Luftqualität ist trotzdem besser als in gewöhnlichen
Gebäuden. Es ist sinnvoll, die Fenster im Winter wenig zu öffnen,
denn aus der über die Fenster ausgetauschten Luft wird keine
Wärme zurückgewonnen. Die hereinkommende Luft ist kalt,
daher ist der Wärmeverlust viel höher als beim Lüften
mit der Lüftungsanlage.
Kürzlich publizierte Forschungsergebnisse zeigten, dass in
vielen Häusern mit kontrollierter Lüftung (mit und ohne
Wärmerückgewinnung) der Fensterluftwechsel nicht oder
wenig geringer ist als bei Häusern ohne Lüftungsanlage.
Die Lüftungsanlage benötigt dann zwar Strom, führt
aber kaum zu einer Einsparung an Heizenergie. Wenn dies auch für
Passivhäuser zuträfe, würde die Passivhaus-Zielsetzung
verfehlt werden; ein Heizwärmeverbrauch unter 15 kWh/(m²a)
wäre kaum erreichbar, die Zuluftheizung dann bei weitem nicht
ausreichend.
Die vorliegenden
Messergebnisse zum Energieverbrauch zeigen ebenso wie die zahlreichen
Rückmeldungen der zufriedenen Bewohner, dass das vermutete
Problem bei Passivhäusern in der Praxis nicht auftritt oder
sich zumindest nicht bemerkbar macht (Bild 4). Der Frage, warum
dies so ist, wurde mittlerweile in mehreren Forschungsprojekten
nachgegangen.
Da ist zunächst
einmal die Frage nach dem Warum: gibt es einen Bedarf, die Fenster
in Passivhäusern zusätzlich zu öffnen, und unter
welchen Umständen gibt es ihn? Uwe Münzenberg
berichtet über Untersuchungen der Raumluftqualität am
Beispiel von Passivhäusern in Nürnberg (Bild 5 zeigt Ergebnisse
aus einem Altbau).
Die zweite Frage lautet:
Wie oft findet Fensterlüftung in den bereits bestehenden Passivhäusern
wirklich statt? Marc Großklos ermittelte
über mehrere Jahre die tatsächlichen Fensteröffnungszeiten
in der ersten Passiv-Reihenhaussiedlung in Wiesbaden und verglich
sie mit den Öffnungsdauern in Niedrigenergiehäusern derselben
Siedlung.
Eine dritte Frage schließt
sich an: Wie groß ist der Fensterluftwechsel bei geöffneten
oder gekippten Fenstern? Messungen mit Spurengas erlauben es, den
tatsächlichen Luftwechsel unter den jeweiligen Randbedingungen
zu ermitteln. Oliver Kah und Witta Ebel berichten
über Spurengasmessungen im CEPHEUS-Mehrfamilienhaus in Kassel
sowie in den Reihenhäusern in Wiesbaden (Bild 6).
Schließlich geht
Jens Knissel der Frage nach, wie der Fensterluftwechsel
in Abhängigkeit von der Fenstergeometrie in dynamischen Simulationsmodellen
zu berücksichtigen ist und welche Vereinfachungen bei der Modellbildung
in vielen Simulationen zu einer deutlichen Fehleinschätzung
des Einflusses der Fensterlüftung geführt haben könnten.
Im Forum dieser Arbeitsgruppe
wird diskutiert werden, warum diese Forschungsergebnisse sich so
stark von anderen unterscheiden, in denen es vielleicht eine kontrollierte
Lüftung gibt, es sich aber nicht um Passivhäuser handelt.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit mit
einer Beeinträchtigung der raumklimatischen und der energetischen
Qualität durch Fensteröffnungen nicht gerechnet werden
muss? Eine Frage, die für die Wohnungslüftung insgesamt
von entscheidender Bedeutung ist.
(veröffentlicht:
20.01.2003 © Passivhaus Institut; unveränderte
Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet)
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