Wärmedämmung
von Passivhäusern
Beim guten Wärmeschutz
liegt der Schlüssel zur Funktion des Passivhauses. Wärmeverluste
durch nicht lichtdurchlässige Bauteile (auch „opake Bauteile“ genannt)
müssen vernachlässigbar gering sein. Nur dann kann die Heizlast
auch am kältesten Tag so gering sein, dass eine Heizung allein mit
der Frischluft möglich wird. Der Wärmeverlust durch ein Regelbauteil,
also eine Außenwand, einen Fußboden, eine oberste Geschossdecke
oder ein Dach, wird durch den Wärmedurchgangskoeffizienten oder
U-Wert gekennzeichnet (früher: k-Wert). Dieser Wert gibt an, wieviel
Wärmeenergie pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit des Bauteils
nach außen übertragen wird, wenn die Temperaturdifferenz gerade
ein Grad (1 Kelvin) beträgt. Die Maßeinheit des U-Wertes ist daher
"W/(m²K)“. Will man den Wärmeverlust durch eine Wand berechnen,
so muss man den U-Wert mit der Fläche und mit der Temperaturdifferenz
multiplizieren. Ein typisches Einfamilienhaus hat beispielsweise
eine Außenwandoberfläche von 100 m². Bei winterlichen Temperaturverhältnissen
liegen außen -12°C und innen 21°C vor. Bei unterschiedlichen
U-Werten ergeben sich die folgenden typischen Wärmeverlustleistungen
durch die Außenwand:
U-Wert Wärmeverlust
W/m²K W
1,00
3300
0,80 2640
0,60 1980
0,40 1320
0,20
660
0,15 495
0,10 330
Ein typisches Passivhaus-Kompaktheizsystem
kann problemlos etwa 1000 W Heizleistung bereitstellen. Wenn nicht
allein die Außenwand bereits erhebliche Anteile dieser Leistung
aufzehren soll, so muss der U-Wert der Wand wirklich sehr gering
sein: der Bereich von 0,1 bis 0,15 W/(m²K) ist im Allgemeinen angemessen.
Was bedeutet das für
die wärmedämmende Gebäudehülle? Zum einen ist klar, dass derart
niedrige U-Werte nur mit wirklich gut wärmedämmenden Materialien
hergestellt werden können. Die folgende Tabelle zeigt, wie dick
ein Außenbauteil aus allein dem aufgeführten Material sein muss,
um einen typischen Passivhaus-U-Wert von 0,13 W/(m²K) zu erreichen:
Material Wärmeleit-
Schichtdicke
fähigkeit für
U=0,13 W/(m²K)
W/mK m
Normalbeton 2,100 15,80
Vollziegel 0,800
6,02
Hochlochziegel 0,400 3,01
Nadelholz 0,130 0,98
Porenziegel,
Porenbeton 0,110 0,83
===========================
Stroh 0,055
0,410
typischer
Dämmstoff 0,040 0,300
hochwertiger
konventioneller
Dämmstoff 0,025 0,188
Nanoporöse
"Superdämmstoffe"
Normaldruck 0,015 0,113
Vakuum-
dämmstoff
(Kieselsäure) 0,008 0,060
Vakuum-
dämmstoff
(Hochvakuum) 0,002 0,015
Die Tabelle zeigt unmissverständlich:
Gebäudehüllflächen mit vernünftigen Bauteildicken sind nur möglich,
wenn die wesentliche Dämmwirkung von einem guten Wärmedämmstoff
herrührt. Dazu können die Materialien „unter dem Doppelstrich“
verwendet werden. Selbstverständlich sind kombinierte Aufbauten
mit den anderen Baustoffen möglich und in vielen Fällen
notwendig: Z.B. die außen gedämmte Betonwand oder die
monolithische Wand aus Porenbeton und Mineralschaum-Dämmplatten.
Die Aufbauten werden umso dünner, je niedriger die Wärmeleitfähigkeit
des verwendeten Dämmstoffes ist. Bereits mit einer Strohballenwand
üblicher Dicke (50 cm und mehr) ist die Eignung für das Passivhaus
gegeben. Mit typische konventionellen Dämmstoffen (Mineralwolle,
Polystyrol, Zellulose) braucht man Dicken um 30 cm. Mit marktüblichen
Polyurethanschaumdämmstoffen kann die Dämmdicke auf um 20 cm reduziert
werden. Auch Vakuumdämmstoffe sind in Deutschland bereits im Bauwesen
eingesetzt worden. Mit ihnen ergeben sich richtig schlanke hochgedämmte
Bauteile. Ein bereits erfolgreich umgesetzter weiterer Ansatz besteht
in semitransluzenten Hüllflächen. Dabei wird die Globalstrahlung
ein Stück weit gezielt in die gedämmte Konstruktion hineingeleitet,
um so die Temperaturdifferenz zu verringen und einen niedrigen äquivalenten
U-Wert zu erreichen. Auch diese Technik wird auf der Begleitausstellung
zur 7. Passivhaustagung gezeigt werden.
Die Erfahrung beim Bau
von Passivhäusern hat gezeigt, dass die hohen Dämmdicken auch bei
konventionellen Dämmstoffen in den meisten Fällen kein Problem darstellen:
- Bei den meisten Bauaufgaben
ist der Platz für die Dämmung vorhanden. Wenn der Platz fehlt
oder teuer erkauft werden muss, kann man auf höherwertige Dämmstoffe
zurückgreifen.
- Die hohen Dämmdicken
sind baupraktisch ohne weiteres handhabbar. Richtig angewendet
ist der Aufwand für die Ausführung kaum höher als bei geringeren
Dämmstärken. Es bleibt der Mehrpreis für die größere Dämmstoffmenge
– Dämmstoffe sind jedoch ein vergleichsweise kostengünstiges Material.
Wie eine vernünftige passivhausgeeignete Konstruktion mit den
verschiedenen Baustoffen aussieht, wird auf der Begleitausstellung
der 7. Passivhaustagung an 1:1-Modellen gezeigt.
- Alle heute in Deutschland
bauüblichen Konstruktionen für Gebäudehüllen lassen sich auch
in Passivhaus geeigneten Varianten ausbilden. Dies ist bereits
vielfältig in gebauten Passivhäusern demonstriert worden: Da gibt
es Mauerwerksbau (zweischalig oder mit Wärmedämmverbundsystem),
Leichtbetonfertigbauteile, Betonfertigbauteile, Holzkonstruktionen
(klassisch oder mit Leichtbauträgern), Schalungselementetechnik
und semitransluzente Wandaufbauten.
- Messungen in gebauten
Passivhäusern zeigen, dass die Dämmwirkung der „dicken Dämmschichten“
perfekt den Erwartungen entspricht. Die Wärmeverluste sind somit
tatsächlich so gering, wie sie nach der Berechnung sein dürfen
und die Häuser bleiben tatsächlich mit den genannten extrem kleinen
Heizleistungen warm. Unmittelbar erkennbar ist dies an den hohen
inneren Oberflächentemperaturen, die mit thermografischen Aufnahmen
sichtbar gemacht werden können. Hochwärmedämmende Bauteile, wie
sie im Passivhaus verwendet werden, haben bedeutende Vorteile
gegenüber üblichen schlecht oder mittelmäßig gedämmten Gebäudehüllen.
- Durch den geringen
Wärmeverlust ergeben sich automatisch hohe Innenoberflächentemperaturen
im Winter – auch ohne Bauteilheizflächen. Dadurch ist die Differenz
zwischen den gerichteten Strahlungstemperaturen im Raum gering,
eine gute Voraussetzung für eine sehr gute Behaglichkeit. Die
hohen Innenoberflächentemperaturen führen zudem zu einer Verringerung
des Tauwasserrisikos. Im Passivhaus kann bei wohnraumüblicher
Nutzung Oberflächentauwasser an Außenbauteilen praktisch ausgeschlossen
werden.
- Im Sommer liegt die
innere Oberflächentemperatur ebenfalls nahe an der Raumlufttemperatur,
d.h. sie ist geringer als bei schlecht gedämmten Bauteilen, die
Wärme in größerem Maß von außen nach innen transportieren. Für
das dynamische Verhalten des Außenbauteils haben hochgedämmte
Konstruktionen auch bei nur geringen Massen (z.B. einer doppelten
Gipswerkstoffplatte) eine hohe Temperaturamplitudendämpfung. Diese
ist so groß, dass weitere Verbesserungen praktisch nicht mehr
bedeutend sind. Wichtig ist jedoch die lange Gebäudezeitkonstante,
die durch die gute Dämmung resultiert und für welche eine thermisch
gut zugängliche innere Gebäudemasse weitere Vorteile bringt. Dadurch
kann ein Passivhaus durch Nachtlüftung gut gekühlt werden und
die Kälte tagsüber sehr gut halten – vorausgesetzt, die solare
Last ist auf ein vernünftiges Maß begrenzt.
- Hochgedämmte Bauteile
verzeihen in einem gewissen Ausmaß noch vorkommende Wärmebrücken
eher als mäßig gedämmte. Dies widerspricht der landläufigen Auffassung,
ist aber in zahlreichen konkreten Fällen bewiesen und kann leicht
verstanden werden: Weil die tragende Konstruktion und die innere
Bauteilschicht hinter einer dicken Dämmung liegen, sind diese
in der Regelkonstruktion durch und durch warm. Wärmebrücken bis
zu einem gewissen Ausmaß können dem nicht schaden – ist die Regelkonstruktion
aber ohnehin schon kalt, wird mit zusätzlichen Wärmebrücken der
Taupunkt schnell unterschritten. Selbstverständlich führen Wärmebrücken
auch im Passivhaus zu u.U. bedeutenden zusätzlichen Wärmeverlusten.
Daher empfehlen wir auch, trotz der höheren Fehlertoleranz, ein
bewusst wärmebrückenfreies Konstruieren.
Auf
der 7. Passivhaus-Tagung werden neueste Erkenntnisse und Erfahrungen
mit hochwärmegedämmten Konstruktionen in Arbeitsgruppe XIII
"Gebäudehülle" behandelt. Die Architekten Michael Trykowski und
Karin Tollkühn geben einen Erfahrungsbericht zur Frage von
Öffnungen in der Gebäudehülle des Passivhauses. Die Vakuum-Dämm-Technologie
zeigt im Vergleich zu den verschiedenen konventionellen Wärmedämmstoffen
eine um den Faktor 5 bis 8 verringerte Wärmeleitfähigkeit. Im Beitrag
von Ekkehard Nowara und Wolfgang M. Willems werden verschiedene
Ansätze und Materialien für die praktische Umsetzung dieser Technologie
in ein baurelevantes Produkt vorgestellt. Für Passivhäuser in Holzbauweise
gibt es eine neue Broschüre im Holzbauhandbuch: Typische Konstruktionen
werden von Helmut Zeitter und Berthold Kaufmann dargestellt. Die
Dämmung im Kellerbereich muss speziellen Anforderungen genügen,
z.B. Druckwasserfestigkeit und dauerhafte Stauchungssicherheit.
Details für Wärmebrückenfreie Lastabtragungen werden von Architekt
Christoph Thiel dargestellt. Auch Lösungen für die Abdichtung und
die Luftdichtheit werden vorgeschlagen. Wärmebrücken am Fuß eines
Gebäudes werfen oft konstruktive Probleme auf. In manchen Fällen
ist es möglich, die Bodendämmung zu reduzieren, weil das Erdreich,
auf dem das Gebäude steht, eine hohe Wärmekapazität hat. Hierzu
werden von Gerhard Lude und Johannes Werner neue Lösungsmöglichkeiten
für den Fußpunkt und für erdberührte Flächen vorgestellt. Die Wärmeleitfähigkeit
von Holzwerkstoffen in Plattenebene wird von Gerrit Horn, Herrmann
Heinrich und Karl Heinz Dahlem diskutiert. Im Rahmen eines Forschungsprojektes
werden neue Daten präsentiert, welche einen signifikanten Unterschied
der Wärmeleitfähigkeit von Holzwerkstoffen senkrecht bzw. parallel
zur Plattenebene erkennen lassen.
Vollständige Konstruktionsbeispiele von Bauteilen für das Passivhaus
im Maßstab 1:1 gibt es auf der begleitenden Fachausstellung. Vertreten
sind u.a.:
- Mauerwerkskonstruktionen
mit Wärmedämmverbundsystem und wohlüberlegten Details zum Fußpunkt,
zum Fenstereinbau und zum Dachanschluss.
- Schalungselementetechnik
mit einem Komplettkatalog wärmebrückenfreier Anschlüsse sowie
Erkenntnissen zur luftdichten Konstruktion.
- Holztafelbau inklusive
aller relevanten Anschlussdetails mit unterschiedlichen Konstruktionen.
- Semitransluzente Außenbauteile
zur effektiven Nutzung von passiver Solarenergie auch bei opaken
Bauteilen.
(veröffentlicht:
30.12.2002 © Passivhaus Institut; unveränderte
Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet)
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