Mit Energiebilanzen zur Energieeffizienz

Abb.1: Es ist praktisch, die Bilanzhülle für ein Gebäude entlang der Außengrenze der wärmedämmenden Außenbauteile zu wählen.

Abb.2: Verlustwärmeströme (Transmisson und Ventilation) verlassen durch die Bilanzhülle das Gebäude. Wärmegewinne treten über eben diese Hülle in das Gebäude ein. Nach dem Energiesatz ist die Summe der Gewinne gleich der Summe der Verluste, solange die Innere Energie konstant bleibt.

Abb.3: Energiebilanz vom Normalhaus zum Passivhaus: verringert man die Wärmeverluste nur konsequent genug, dann können passiv solare Energie (gelb) und innere Wärmequellen (gelbgrau) einen beträchtlichen Anteil der Verluste abdecken. Eine separate Heizung wird entbehrlich, wenn die Heizlast kleiner als 10 W/m² wird; dann kann man mit dem Frischluftsystem heizen.

(annual = jährlich, balance = Bilanz, Losses = Verluste, Gains = Gewinne; rot: aktiv aufzubringende Heizwärme; gelbgrau: innere Wärmequellen; gelb: Solargewinne (oben Süd-, unten Nordfenster); Verlustseite: hellgrün: Fenster (oben: Süd, unten: Nord); violett gestreift: Dach; dunkelblau: Außenwände; grau: Bodenplatte; hellblaugrün: Lüftungswärmeverluste.)

Die dargestellte Bilanz wurde mit PHPP berechnet; sie gehört zu den tatsächlich gebauten Passivhäusern in Hannover Kronsberg (Bauträger Rasch&Partner /faktor 10/); gebaut wurde im Passivhausstandard, das ist die Bilanz mit den geringsten Verlusten. Die gemessenen Verbrauchswerte stimmen sehr gut mit der gerechneten Bilanz überein. Ergebnisse zu den Verbrauchsmessungen finden Sie hier.

Als Energiebezugsfläche dient hier die beheizte Wohnfläche. Die Energiebezugsfläche ändert die Energiebilanz nicht - aber sie lässt das Ergebnis manchmal besonders schön erscheinen. Näheres dazu hier.

Mehr über die aktuelle Passivhaustagung in Bregenz: www.passivhaustagung.de.

Diskussion
Besteht die Heizaufgabe wirklich darin, die Temperatur im Gebäude konstant zu halten? Das ist eine Vereinfachung bzgl. der Aufgabe; aber diese Vereinfachung trifft den Sachverhalt ziemlich gut, und zwar um so besser, je besser die bauliche Qualität der Gebäudehülle wird. Eine Diskussion über diese Frage gibt es unter verschiedenen Gesichtspunkten:

  1. Soll man tatsächliche "überflüssigerweise" Bereiche innerhalb der Gebäudehülle passiv mitbeheizen, obwohl eine Komfortanforderung für sie gar nicht besteht?
    Tatsächlich spart es oft sowohl Baukosten als auch Energiekosten, wenn "unbeheizte Bereiche" innerhalb eines Gebäudes mit in die thermische Hülle einbezogen werden - nämlich immer dann, wenn die so entstehende Hülle eine verringerte Oberfläche aufweist.
  2. Ist es nicht für die Gesundheit besser, wenn die Temperaturen sich im Tagesverlauf ändern und auch in verschiedenen Räumen unterschiedlich sind?
    Wir zitieren hierzu Ole Fanger (aus "Thermal Comfort"):
    "Es ist wohl bekannt, dass die Körperkerntemperatur einen Tagesrhythmus mit einem Maximum einige Zeit vor der Schlafperiode und einem Minimum einige Zeit vor dem Aufwachen hat. ...
    Allerdings konnte Nevins keine Differenz in den optimalen Temperaturen zwischen Untersuchungen am Nachmittag und solchen am Abend feststellen, eine Beobachtung, die von der hier vorliegenden Studie <Fanger> bestätigt wird....
    Wenn es irgendeinen Einfluss des Tagesrhythmus auf die Behaglichkeitsbedingungen gibt, dann ist dieser wahrscheinlich so gering, dass er von keiner praktischen Bedeutung ist."
  3. Spart eine Nacht- (oder Wochenend-) Absenkung nicht auch Energie?
    Doch, das ist immer der Fall. Allerdings sind die erreichbaren Einsparungen bei gut gedämmten Gebäuden nicht sehr hoch.

Ausführlich werden die Fragen der Temperaturdifferenzierung im Protokollband 25 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser behandelt.

Oft finden sich auch kritische Anmerkungen zum Berechnungsverfahren:

  1. Darf überhaupt mit (stationären) U-Werten gerechnet werden? Ist nicht die Wärmespeicherung wichtiger als die Wärmedämmung und das ganze U-Wert-Rechenverfahren falsch?
    Nein, das U-Wert-Rechenverfahren ist die korrekte Näherung, wie durch viele systematische Untersuchungen gezeigt wurde. Der Vergleich der Energiebilanz nach Berechnung und nach Messung belegt dies zusätzlich.


PHPP

Das Passivhaus Projektierungspaket ist ein Tool, mit dem ein Passivhaus ausgelegt und die Planung optimiert werden kann. Alle wichtigen Planungsdetails für ein Passivhaus werden unterstützt: Dämmung, Luftdichtheit, Wärmebrückenreduktion, Passivhausfenster, Lüftung, Heizlast, Wärmebereitstellung, Sommer-Behaglichkeit u.a. Das Handbuch zum PHPP enthält zudem praktische Tips für die Planung und den Bau von Passivhäusern.

Kernbestandteil des PHPP-Tools ist die Energiebilanz des Gebäudes. Näheres zum PHPP finden Sie unter PHPP-Beschreibung.

Energie ist eine Erhaltungsgröße - sie geht nicht verloren. Allerdings kann Energie das Gebiet, in welchem der Nutzen aus der Energiedienstleistung gewonnen wird, verlassen. Dies bezeichnen wir als "Energieverlust", obwohl die Energie nur an einem anderen Ort und in einer anderen Form vorliegt.

Schon diese einleitenden Sätze zeigen, dass Energiebilanzen immer nur für ein abgegrenztes räumliches Gebiet mit klar definierten Grenzen aufgestellt werden können. Die Grenze dieses Gebietes nennt man die Hülle.

Im Fall der Heizung oder Klimatisierung ist das interessierende Gebiet der "beheizte oder klimatisierte Raum". Genauer: Es umfasst alle die Bereiche in einem Gebäude, in denen behagliche thermische Bedingungen herrschen sollen. Meist ist es praktisch, auch "passiv mitbeheizte" Bereiche in die Bilanz einzubeziehen, wenn sich die Bilanzhülle dadurch vereinfacht. Überhaupt wird die Wahl der Bilanzhülle vor allem unter pragmatischen Gesichtspunkten gesehen: Bei einem Gebäude ist es besonders praktisch, die Bilanzgrenze an der Außenseite der wärmedämmenden Außenbauteile zu wählen (Abb. 1).

Die Heiz- oder Klimatisierungsaufgabe besteht gerade darin, die Temperatur innerhalb des betrachteten Gebietes (des Gebäudes) behaglich, d.h. konstant zu halten (Diskussion).

Betrachten wir einen Wärmestrom, der von innen durch die Hülle aus dem Bilanzgebiet herausströmt, z.B. mit warmer Luft, die durch ein Fenster entweicht: Ein solcher "Wärmeverlust" würde zunächst die Innere Energie im Bilanzgebiet verringern; das würde bedeuten, dass die Temperatur im Gebäude absinkt. Genau dies soll für ein behagliches Wohnen aber vermieden werden. Dies kann nur dadurch erfolgen, dass die herausgeströmte Energie ersetzt wird: Ein weiterer Wärmestrom muss nun von außen nach innen in Bewegung gesetzt werden, um das Temperaturniveau zu halten.

An dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Die Notwendigkeit, Wärme zuzuführen, entsteht überhaupt nur durch das Auftreten von Wärmeverlusten. Gerade wegen der Energieerhaltung bleibt ein Haus eigentlich von selbst warm - so lange es keine Wärme verliert. Dummerweise sind die Mechanismen, mit denen Systeme mit höherer Temperatur Wärme an eine kältere Umgebung übertragen, vielseitig und sehr wirkungsvoll. Wenn man das wärmere System nicht bewusst abschottet ("wärmedämmt") fließt sehr viel Wärme durch Wärmeleitung, Konvektion und Wärmestrahlung ganz von selbst in die kältere Umgebung ab. "Heizen" ist also immer nur der Ersatz von Wärmeverlusten - und ist daher durch effizientere Vermeidung von Verlusten beliebig reduzierbar.

Bei der Heizaufgabe haben wir andererseits Glück: Es gibt auch freie "Wärmegewinnströme": z:B. die durch die Fenster von außen nach innen eingestrahlte Sonnenstrahlung (sog. passive Solarenergie) und die Energie, die über die Stromversorgung ins Haus kommt und die im innern des Hauses in sog. "innere Wärmequellen" umgesetzt wird. Zu diesen zählt auch die Wärmeabgabe der Personen, die sich im Gebäude aufhalten. Auch diese Energie wird übrigens von außen über die Hülle herein gebracht - wenn die Personen das Haus betreten bzw. wenn Nahrungsmittel ins Gebäude gebracht werden.

Unter den hier beschriebenen vereinfachten Bedingungen ist die Energiebilanz des Gebäudes ganz einfach aufzustellen:

Die Summe der Wärmeverlustströme

ist gleich

der Summe der Wärmegewinnströme.

Da sich die Wärmeverluste ganz einfach und relativ genau berechnen lassen (sie hängen im Wesentlichen von der Dämmung ab) und innere Wärmequellen sowie passiv genutzte Solarenergie gut genug abgeschätzt werden können, kann man mit der Energiebilanz die noch erforderliche Heizwärmezufuhr ausrechnen.

Nur ein kleines Problem verbleibt dabei: Die Höhe der "überschüssigen" Solargewinne: Das ist der Anteil an freier Wärme, der nicht ausgenutzt werden kann - dieser erfordert eine genauere Bestimmung. Mit Simulationsprogrammen, die in der Lage sind, Energiebilanzen in kurzen Zeitabschnitten zu bestimmen, lässt sich das Problem lösen, wenn auch mit einem gewissen Aufwand. Zum Glück gibt es dafür heute gut erprobte vereinfachte Formeln, die z.B. in der europäischen Norm EN 832 (unzwischen international gefasst als ISO 13790) zu finden sind. Für die praktische Anwendung haben wir diese Zusammenhänge in das "Passivhaus Projektierungs Paket" integriert.

Mit diesen Erkenntnissen ist nun sehr einfach zu verstehen, wie ein Passivhaus funktioniert. In unserer Animation (links unten) haben wir das illustriert. Das Konzept "Passivhaus" beruht somit vor allem darauf, die Wärmeverluste des Gebäudes zu reduzieren. Dann reichen die freien Wärmegewinne nahezu aus, um ein komfortables Temperaturniveau zu halten. Wärmeverluste reduzieren - das bedeutet vor allem: gute Wärmedämmung, Passivhausfenster und hocheffiziente Wärmerückgewinnung aus der Abluft. Schritt für Schritt kann so die Energiebilanz verbessert werden und Schritt für Schritt wird der Passivhaus Standard erreicht.

Energiebilanzen können auch bei anderen Energieanwendungen helfen, die wichtigsten Energieströme und Energieverluste zu erkennen. Das ist bereits der wichtigste Schritt, um die Verluste zu reduzieren (Beispiele).

Dieser Link führt zu Basisinformationen zum Thema Passivhaus.


Autor: Dr. Wolfgang Feist, Leiter des PHI

 


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aktualisiert: 30.11.2007
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