PHPP: mehr als nur eine Energiebilanz

Abb.1: Das Passivhaus Haus Projektierungs Paket PHPP besteht aus einer Tabellen-Kalkulations-Arbeitsmappe und einem Handbuch - es ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Projektierung von Passivhäusern. Ab Juni 2007 gibt es die neue, erweiterte Ausgabe.

Abb.2: Vergleich von Messung und Simulation im wissenschaftlich begleiteten Projekt Passivhaus Darmstadt Kranichstein. (Klicken Sie auf das Diagramm für eine höhere Auflösung; Verwendetes Simulationsprogramm: DYNBIL; der Vergleich wurde publiziert in [AkkP 5]).


Abb.3
: Vergleich von Berechnungen mit dynamischer Simulation (DYNBIL) und Berechnungen mit dem PHPP (Monatsverfahren EN 832 und Jahresverfahren). Die Übereinstimmung der vereinfachten stationären Rechenmethode mit der dynamischen Simulation ist sehr gut - beim Vergleich muss sorgfältig auf identische Daten bei allen Verfahren geachtet werden. (Mit "Grafik anzeigen" in Ihrem Browser erhalten Sie ein größeres Bild.)

Abb. 4: Vergleich von Verbrauchsmessungen (statistische Daten) zur Berechnung mit dem PHPP. Vergleichen kann man nur mittlere Messergebnisse aus statistisch hinreichend großen Stichproben - weil die Einzelverbrauchswerte wegen des unterschiedlichen Nutzerverhaltens zu stark schwanken. Die Mittelwerte werden mit dem PHPP sehr genau getroffen. (Klicken Sie auf die Grafik für eine höhere Auflösung.)

Abb. 5 Die dargestellte Bilanz (rechts) wurde mit dem PHPP berechnet; sie gehört zu den tatsächlich gebauten Passivhäusern in Darmstadt Kranichstein (Architekten: Prof. Bott, Ridder, Westermeyer). Die gemessenen Einzelwerte der Energiebilanz (links) stimmen sehr gut mit der berechneten Bilanz überein. Gemessen wurde mit vier Wärmezählern und einem kalibrierten Gaszähler. (Mit "Grafik anzeigen" in Ihrem Browser erhalten Sie ein größeres Bild.)

Die Übereinstimmung zwischen berechneten Werten und dem gemessenen Verbrauch ist nicht nur zufällig bei den hier dokumentierten Projekten gut. Die Erfahrungen mit der Projektierung sind durchweg ausgezeichnet.



Abb. 6 Ein Beispiel für eine Bilanz nach dem Passivhaus Projektierungs Paket für ein Einfamilien-Passivhaus.
Mit 14,3 kWh/(m²a) ist das Kriterium erfüllt. Dieser Link führt zu Informationen zum berechneten Einfamilienhaus. (Ein Klick auf die Grafik liefert ein größeres Bild). Quelle: [AkkP 20].


Abb. 7 Monatliche Heizwärmebilanz nach PHPP für das Beispiel-Einfamilenhaus. (Quelle: [AkkP 20])


Abb. 8 Jahreswärmebilanz (aus der Summe der Monatsbilanzen) für ein Einfamilien-Passivhaus, berechnet nach PHPP. Solargewinne und innere Wärmequellen sind von größerer bedeutung als die Heizwärme (rechte Säule). (nach [AkkP 20]; ein Klick auf die Grafik liefert ein größeres Bild) Eine Erklärung zu den Energiebilanzen finden Sie hier: Energiebilanz.html

Wo gibt es das PHPP?

Näheres zum PHPP finden Sie auf der Web-Seite des Passivhaus Institutes: PHPP - beim PHI .

Mehr über die aktuelle Passivhaustagung: www.passivhaustagung.de.

 

Das Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) umfasst alles,

um ein sicher funktionierendes Passivhaus planen zu können. Enthalten sind die Tools für

  • die Berechnung von Energiebilanzen (inkl. U-Wert-Berechung)
  • die Projektierung der Fenster
  • die Projektierung der Komfortlüftung
  • die Auslegung der Heizlast
  • die Voraussage für den sommerlichen Komfort
  • die Auslegung von Heizung und Warmwasserbereitung
  • ... und viele weitere nützliche Werkzeuge für die zuverlässige Projektierung von Passivhäusern sowie auch
  • den Nachweis für die Förderung von Passivhäusern (z.B. durch die KfW)
  • den vereinfachten Nachweis nach der Energiesparverordnung (EnEV)
  • ein ausführliches Handbuch, in dem nicht nur das Verfahren des PHPP erläutert, sondern alle wichtigen Merkpunkte für den Bau von Passivhäusern zusammengestellt sind - das Passivhaus-Baupraxis-Buch schlechthin.

 

Genaues Modell: Simulation nach physikalischen Grundgleichungen

Bei den ersten Passivhäusern war es noch unverzichtbar, die Gebäude mit zeitlich hochaufgelösten numerischen Simulationen zu projektieren. Die Berechnung von Energiebilanzen von Gebäuden mit sehr geringem Energieverbrauch ist eine anspruchsvolle Aufgabe - bestehende Verordnungen und Normen haben sich dabei als zu ungenau erwiesen; daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit einer Simulation, die sich an den physikalischen Grundgesetzen orientiert, kann das Verhalten der Gebäude aber sehr genau vorausberechnet werden. Das Problem dabei ist nur: Die Eingabedaten für ein instationäres Simulationsprogramm sind sehr umfangreich - unser Computermodell für das Passivhauses Darmstadt Kranichstein verlangt über 2000 unabhängige Eingabedaten (ohne den Klimadatensatz). Soll die Simulation zuverlässige Ergebnisse liefern, dann müssen diese über 2000 Daten korrekt gemäß der tatsächlichen Geometrie des Gebäudes bestimmt werden. Das ist möglich, wie der Vergleich zwischen Simulation und Messergebnissen zeigt ([AkkP 5], vgl. Abb. 2 oben links). Aber der Aufwand für ein solches Modell ist sehr groß - und nicht alle benötigten Daten sind gleich wichtig, obwohl bei ungeeigneter Werten auch für "unwichtige" Daten falsche Ergebnisse entstehen können.

Ein pragmatischer Weg: Vereinfachte Modelle, klare Eingabedaten

Durch Vergleiche verschiedener Simulationsmodelle konnten wir heraus finden, worauf es wirklich ankommt, um auch mit vereinfachten Modellen und vertretbarem Aufwand bei der Datenaufnahme zuverlässige Bilanzen zu erstellen [Feist 1994]. Der Weg zu den zulässigen Vereinfachungen ist in der Publikation [AkkP 13] beschrieben. Es mag überraschen, dass mit einem sehr einfachen Modell, nämlich durch

  • Behandlung des ganzen Hauses als eine Zone
  • Berechnung von Monatsenergiebilanzen statt zeitaufgelöster instationärer Simulation

bereits eine für praktische Planungszwecke ausreichende Genauigkeit erzielt werden kann (vgl. Abb. 3 in der linken Spalte).



Die Vorteile einer weitgehenden Vereinfachung liegen nicht nur in dem übersichtlicheren Berechnungsgang: Sie liegen vor allem

  • im viel geringeren Aufwand für die Datenerhebung (weil nur noch die Daten der Gebäudehülle und der Lüftung ermittelt werden müssen),
  • in den dadurch verringerten Fehlerquellen bei der Erstellung und der leichteren Überprüfbarkeit des Berechnungsgangs (Prüfingenieuren graut es bei der Vorstellung, zur Qualitätssicherung bei einem Gebäude die Richtigkeit eines Eingabedatensatzes für eine numerische Simulation überprüfen zu sollen)
  • in der Konzentration auf die eigentlich wichtigsten Einflussgrößen und
  • in der Einbeziehung wirklich aller dieser wichtigen Einflussgrößen.

Der letzte Punkt sei kurz erläutert: Die meisten hochentwickelten Simulationsprogramme sind zwar bei bestimmten physikalischen Prozessen sehr genau (z.B. bei der instationären Wärmeleitung oder beim Strahlungswärmeaustausch), aber sie vergröbern das Modell an anderer Stelle (z.B. bei der winkelabhängigen Strahlungstransmission durch Verglasungen oder bei der Verschattung der Solarstrahlung durch Balkonüberstände, Laibungen etc.). Wirklich "alle" relevanten Prozesse "physikalisch angemessen genau" behandeln zu wollen, das schafft bisher kein einzelnes Programm - und auch künftig würde ein solches Programm ziemlich komplex aufgebaut sein, wodurch wieder zusätzliche Fehlermöglichkeiten entstehen.

Natürlich ist jede Vereinfachung mit einem Verlust an Genauigkeit verbunden - jedes nicht ganz korrekte Eingabedatum in ein komplexes Modell führt aber ebenso zu Genauigkeitsverlusten. Und, pragmatisch betrachtet, ist die mögliche Genauigkeit einer Berechnung beim (wetterabhängigen!) thermischen Verhalten von Gebäuden ohnehin begrenzt. Wir argumentieren hier ausdrücklich nicht gegen den Einsatz von Simulationsprogrammen. Ganz im Gegenteil, für die Wissenschaft ist dies der einzig richtige Weg. Für den praktischen Planungsprozess bei einem bereits bewährten Baukonzept kann aber die Verwendung vereinfachter, an die Planungsaufgabe optimal angepasster Rechenverfahren wegen der geringeren Fehlermöglichkeiten sogar genauer sein.

Das für den Bau von Passivhäusern in Europa optimal eingestellte Verfahren ist inzwischen tausendfach bewährt: das PHPP. Das PHPP wurde an Simulationsrechnungen mit aufwendigen instationären Modellen kalibriert.

Warum ist das PHPP für energieeffiziente Gebäude genauer als herkömmliche Verfahren?

Das PHPP wurde systematisch durch Abgleich der Ausnutzungsgradfunktion auf die Ergebnisse instationärer Simulationen entwickelt [AkkP 13]. Verwendet wurden dabei ausschließlich solche Simulationsmodelle, die zuvor an Messungen in gebauten Passivhäusern validiert worden sind (vgl. Abb. 2 links oben). Der Abgleich wurde für den Standard von Passivhäusern vorgenommen - also für Objekte, die einen sehr geringen Heizwärmebedarf haben. An dieser Stelle weicht die Berechnung nach dem PHPP auch ein wenig von der europäischen Norm EN 832 ab. Die Abweichung ist allerdings für gewöhnliche Gebäude nicht bedeutend - erst bei Objekten mit extrem langen Zeitkonstanten wirkt sie sich aus; die EN 832 ist dann zu optimistisch.

Die Ergebnisse des PHPP wurden in der Folge außerdem immer wieder mit Messwerten aus hinreichend großen Stichproben gebauter Passivhäuser verglichen (vgl. Abb. 4 auf der linken Seite). Dieser Vergleich zeigt regelmäßig eine sehr gute Korrelation.

Im PHPP sind eine Reihe von Randbedingungen deutlich anders gewählt als z.B. im Berechnungsgang der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV). Für diese Änderungen gibt es wichtige Gründe, die im Einzelnen in [Feist 2001] diskutiert werden:

  • Für die inneren Wärmequellen sind bei Wohngebäuden mit effizienten Hausgeräten in der Heizperiode Werte um 2.1 W/m² (±0.3) realistisch (und nicht 5 W/m² wie häufig angenommen). Das PHPP enthält im Übrigen ein Berechnungsblatt, mit dem die inneren Wärmequellen beim spezifischen Bauprojekt genauer bestimmt werden können. Zu hoch angenommene innere Wärmequellen führen zu der Illusion, dass sehr niedrige Verbräuche oder sogar Nullheizenergiehäuser schon bei mäßigen Baustandards möglich wären. Die Praxis belegt, dass dies nicht stimmt.
  • Für die mittlere Raumtemperatur ist derzeit ein Wert von 20°C eine realistische Annahme (und nicht 19°C).
  • Für die Solargewinne sind realistische Verschattungsfaktoren und Ansätze für die immer vorhandene Verschmutzung zu berücksichtigen.
  • Die pauschalen Temperaturkorrekturfaktoren werden oft für gut gedämmte Gebäude zu niedrig angesetzt. Z.B. für Dachgeschossdecken liegen realistische Werte nicht bei 0.8, sondern bei 1.0.
  • Der Ansatz für einen "zusätzlichen Luftwechselrate infolge Undichtheiten und Fensteröffnen" beträgt bei der EnEV pauschal 0.15 h-1 bei Abluftanlagen und 0.2 h-1 für balancierte Anlagen mit Wärmerückgewinnung - jeweils viel zu hohe Werte. Korrekt muss, wie im PHPP und in DIN EN ISO 832, von der erreichten Luftdichtheit, d.h. dem gemessenen n50-Wert ausgegangen werden.

Diese und weitere Punkte führen zu Unterschieden bei den Berechnungen, die für energieeffiziente Gebäude relevant sind.

Mehr als nur eine Energiebilanz

Das PHPP ist aber primär nicht entwickelt worden um irgendwelche Nachweise zu führen. Das PHPP ist vielmehr ein Planungs-Werkzeug, mit dem der Architekt und die Fachplaner ihren Passivhaus-Entwurf fachgerecht projektieren und optimieren können. Das PHPP enthält Auslegungshilfen für die Fenster (in Hinblich auf optimale Behaglichkeit), für die Wohnungslüftung (in Hinblich auf optimale Luftqualität bei immer noch ausreichender Luftfeuchtigkeit) und für die Gebäudetechnik. Mit dem PHPP wird das gesamte Haus wirklich als Einheit behandelt, inklusive der Lüftung und der übrigen Haustechnik. Das Handbuch zum PHPP beschränkt sich nicht auf die Erklärung der Eingabedaten für die Tabellenkalkulation, vielmehr gibt es im Handbuch zahlreiche Tipps für eine optimierte Anordnung von Bauteilen (luftdicht, wärmebrückenfrei und kostengünstig), für den Planungsablauf und für die Qualitätssicherung.

Dieser Link führt zu Basisinformationen zum Thema Passivhaus.


Autor: Dr. Wolfgang Feist, Leiter des PHI

 

Link zur Homepage des Passivhaus Institutes:

Literaturverzeichnis:

[AkkP 5] Energiebilanz und Temperaturverhalten; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 1997 (Link zur Publikationsliste, PDF, 200kB)

[AkkP 13] Energiebilanzen mit dem Passivhaus Projektierungs Paket; Protokollband Nr. 13 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 1998 (Link zur Publikationsliste, PDF, 200kB)

[AkkP 20] Passivhaus-Versorgungstechnik; Protokollband Nr. 20 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 2000 (Link zur Publikationsliste, PDF, 200kB)

[Feist 1994] Thermische Gebäudesimulation; 1. Auflage, 366 Seiten, 1994 (Link zum Simulationsprogramm DYNBIL)

[Feist 2001] Stellungnahme zur Vornorm DIN-V-4108-6:2000
aus Sicht der Passivhausentwicklung
, CEPHEUS-Bericht, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 2001 (Link zur Publikationsliste, PDF, 200kB)

[PHPP 2007] Feist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Passivhaus Institut Darmstadt, 2007 (Link zur Beschreibung: PHPP-Inhalte).


Ein komplexes Modell, das alle physikalischen Wärmetransport-Mechanismen von Grund auf abbildet ist gut geeignet für systematische wissenschaftliche Untersuchungen (aus [Feist 1994]). Das "Schaltbild" oben zeigt einen Ausschnitt (ein Raum) aus dem DYNBIL-Modell des Passivhauses Darmstadt Kranichstein. Mit diesem Modell wurden grundlegende Untersuchungen durchgeführt - und ein Vergleich zwischen detaillierten Messungen und der Simulation (Abb. 2 oben links). Dieses Modell wurde dann auch dazu verwendet, den Rechengang nach PHPP zu kalibrieren. (Klicken Sie auf das Modellschaltbild um eine besser aufgelöste Version zu erhalten).

aktualisiert: 17.05.2007 Dr. Wolfgang Feist
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