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Der
Einfluss der inneren Wärmekapazität
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Im Artikel "Wärmespeichern
oder Wärmedämmen" wurde
darauf hingewiesen, dass die gesamte (wirksame) innere Wärmekapazität
eines Gebäudes durchaus einen Einfluss auf die Temperaturverläufe
in den Räumen hat. Dieser Einfluss wird im vorliegenden Artikel
behandelt.
Einflüsse von
Größen, die sich wie die Wärmekapazität dynamisch
auswirken, lassen sich nur bei instationären Prozessen beobachten
und auch nur mit Methoden behandeln, die instationäre Vorgänge
physikalisch korrekt berechnen. Ein validiertes Programm zur Behandlung
thermisch instationärer Vorgänge in Gebäuden ist
das Simulationsprogramm DYNBIL. Ein Vergleich zwischen Berechnungen
mit DYNBIL und Messungen in Gebäuden ist in [AkkP 5] publiziert
und auszugsweise in Abb. 2 des Artikels
zu Berechnungsverfahren dargestellt. Auf dieser Seite finden sich
auch Hinweise darauf, wie mit solchen hochkomplexen Simulationsprogrammen
zuverlässige Ergebnisse erzielt werden können. Das geht
nur, wenn alle anderen Randbedingen und Einflussgrößen,
deren Einflüsse nicht Gegenstand der jeweiligen Untersuchung
sind, konstant gehalten werden; sie müssen außerdem
realistische Betriebsbedingungen für das Gebäude darstellen.
Letzteres setzt zugleich voraus, dass ein ganzes Gebäude,
ein ganzer Jahresverlauf (ausgehend von einem "eingeschwungenen
Zustand") und ein einigermaßen realistisches Nutzerverhalten
simuliert wird.1) Ein solches
Programm erlaubt es z.B., die Temperaturverläufe in einer
sommerlichen Hitzeperiode für ein vorgegebenes Gebäudemodell
zu simulieren. Ein Simulationsergebnis für einen Wohnraum
in einem Reihenendhaus zeigt Abb.1.

Abb.
1: Temperaturverlauf in einer Hitzeperiode in einem massiv gebauten
Passivhaus (Dachgeschoss, Südraum)
(Mit "Grafik anzeigen" in Ihrem Browser erhalten
Sie ein größeres Bild.)
Entscheidend für
die Behaglichkeit
ist die sog. operative Temperatur, die in Abb.1 als roter Verlauf
dargestellt ist. Dies ist ein Mittelwert von Strahlungs- und Lufttemperatur.
Durch den Luftaustausch in der Nacht sinken die Innentemperaturen
regelmäßig auch in der Hitzeperiode auf Werte um 24
°C ab. Tagsüber wird das Reihenhaus allerdings insbesondere
durch die Sonneneinstrahlung durch die Fenster erwärmt. Im
dargestellten Basisfall gibt es keinen temporären Sonnenschutz,
sondern nur die Verschattung durch die Fensterlaibung. Die innere
Wärmekapazität des Gebäudes ist in der Lage, diese
solare Last einzuspeichern. Je größer die wirksame
innere Wärmekapazität ist, um so geringer ist die Temperaturzunahme,
die mit diesem Speicherprozess verbunden ist. Im hier dargestellten
Fall beträgt die Temperaturzunahme zwischen kleinstem und
höchstem Tageswert maximal 4 °C. Gut ist zu erkennen,
dass es im Haus in der Hitzeperiode deutlich kühler bleibt
als der Spitzenwert der Außentemperatur. Deutlich besser
wird das Ergebnis übrigens, wenn ein Sonnenschutz an den
Südfenstern verwendet wird - allerdings kann dann der Einfluss
der internen Wärmekapazität nicht mehr so klar von allen
anderen Effekten abgetrennt werden.
Um die im Folgenden
dargestellten Ergebnisse zu gewinnen, wurden viele Jahressimulationen
für verschiedene Wohngebäude mit jeweils kontrolliert
veränderten Eigenschaften durchgeführt. In der linken
Spalte wurde die innere Wärmekapazität verändert,
in der rechten Spalte die außen liegende Wärmedämmung.
Jeder "Punkt" im jeweiligen Diagramm gehört zu
einer durchgeführten Simulationsrechnung. Die hier dargestellten
Simulationen verwendeten als Randbedingung die Wohnraumnutzung.
Bei anderer Nutzung kann die Wirkung der inneren Wärmekapazität
noch bedeutender sein: Z.B. ergibt sich bei Schulräumen
durch die dort temporär sehr hohen inneren Lasten eine höhere
Bedeutung der Wärmekapazität; die Bedeutung der Wärmedämmung
bleibt jedoch erhalten (vgl. [AkkP 33]).
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Der
Einfluss der inneren Wärmekapazität auf den Jahresheizwärmebedarf
eines Reihenmittelhauses

Abb. 2 Einfluss der
inneren Wärmekapazität. Für diese
Studie wurden im Gebäude
Schritt für Schritt zusätzliche massive Innenwände
eingebaut, im Maximum am Ende 175 m² (KS-Vollsteinwand mit
24 cm Steindicke). Eine Massenzunahme in diesem Umfang ist wirklich
"massiv", es würde 24 m Wandlänge (2,5 m hoch)
je Geschoss bedeuten. (Quelle [Feist 1993])
Dieses Diagramm zeigt, dass bei einem Passivhaus durchaus eine
gewisse Heizwärmeeinsparung resultiert, wenn eine zusätzliche
wirksame innere Speichermasse
zugefügt wird. Der Einfluss ist allerdings gering - so gering,
dass er praktisch kaum bemerkbar sein wird (-3.5%).
- Warum ist
der Einfluss so gering?
Ein Passivhaus wird nur im Kernwinter beheizt. In dieser Zeit
ist die Außentemperatur fast immer deutlich niedriger
als die Innentemperatur und der solare Wärmegewinn ist
meist sehr klein. Die innere Wärmekapazität kann daher
nicht viel zur effizienteren Nutzung von Solarenergie beitragen
- diese wird ohnehin nahezu zu 100% ausgenutzt.
- Warum ist
der Einfluss dann trotzdem so hoch?
Es gibt bei diesem Gebäude tatsächlich einen gewissen
jahreszeitlichen Speichereffekt: Das Haus kommt mit Temperaturen
von 22 bis 23 °C vom Herbst in den Winter; das verzögert
den Beginn des Heizbetriebes. Je mehr Wärmekapazität
im Inneren verfügbar ist, desto ausgeprägter ist dieser
Effekt.
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Der Einfluss
der Wärmedämmung
der Gebäudehülle auf den Jahresheizwärmebedarf
eines Reihenmittelhauses

Abb. 3
Einfluss der Wärmedämmung
der opaken Bauteile der Gebäudehülle (Dach, Außenwand
und Kellerdecke). Für diese
Studie wurden
auf die Außenhülle eine zusätzliche Dämmschicht
aufgebracht. Dargestellt ist der Heizwärmebedarf in Abhängigkeit
von der gesamten mittleren Dämmschichtdicke. Natürlich
ist ein Wert von "80 cm" für die Gesamtdicke
nicht praktikabel - die Simulation zeigt aber, welche Ergebnisse
sich damit einstellen würden. Hervorgehoben ist eine durchaus
"realistische" Dämmdickenzunahme um 16 cm von 22,5
auf 38,5 cm (das entspricht einem Dämmstoffvolumen, das nicht
ganz so groß ist wie die Mauersteinvolumenzunahme in Abb. 2).(Quelle
[Feist 1993])
Das Diagramm zeigt, dass der Einfluss einer verbesserten Wärmedämmung
auch beim Passivhaus noch sehr groß ist. Durch die hervorgehobene
Dämmdickenzunahme wird eine Heizwärmeeinsparung von
etwa 60% erreicht (von etwa 13 kWh/m²a auf nur noch 5 kWh/(m²a)).
- Warum ist
der Einfluss immer noch so hoch?
Eine weit verbreitete
Ansicht ist, dass eine "noch dickere" Dämmung
ausgehend von einer schon guten Dämmung nichts mehr bringe
(weil nämlich andere Wärmeverluste dann überwiegen,
an denen die Dämmung nichts ändert). Diese Ansicht
ist falsch, wie die gezeigte Analyse belegt. Der Grund dafür
ist, dass in einem Passivhaus tatsächlich immer noch bzw.
wieder die Transmissionswärmeverluste die Energiebilanz
dominieren - Lüftungswärmeverluste sind nämlich
wegen der Wärmerückgewinnung sehr gering; und die
Verluste der Fenster werden durch deren Solargewinne überkompensiert.
- Warum empfehlen
wir dann trotzdem nicht, noch besser zu dämmen?
Es
lohnt sich nicht, besser zu dämmen, als es für das
Erreichen des Passivhaus-Standards erforderlich ist. Zwar spart
eine dickere Dämmung immer weiter zusätzlich Heizwärme
ein (sogar bis auf Null, wenn man nur dick genug dämmt).
Aber: Eine Einsparung von 2007 kWh/a auf 791 kWh/a
"bringt" gerade einmal eine Kosteneinsparung von maximal
100 €/a. Die Dämmung, die zuvor investiert wurde,
um den Passivhaus-Standard zu erreichen, spart nicht nur Heizkosten
- sondern reduziert auch noch den technischen Aufwand für
die Gebäudetechnik.
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Der Einfluss
der inneren Wärmekapazität auf die
Behaglichkeit im Sommer in einem Reihenendhaus

Abb. 4 Einfluss
der inneren Wärmekapazität auf die Behaglichkeit eines
Wohngebäudes im Sommer (aus [Feist
1998]). Für diese Studie
wurden einem absoluten Leichtbau (ringsum im Raum nur 6 mm Gipskartonplatten
auf Leichtbau-Wände) nach und nach dickere Gipsbauplatten
(mehrschichtig) zugefügt. Dargestellt sind:
- Die Häufigkeit
von Übertemperaturen (linke
Achse, rote Kurve) als Prozentsatz der Jahresstunden,
an denen die operative Temperatur über 25 °C steigt.
Das ist ein Maß für die "Unbehaglichkeit",
genauer, die Länge der Zeiträume, in denen es unbehaglich
wird.
- Der Jahresheizwärmebedarf
(rechte Achse, grüne Kurve). Dieser
ändert sich kaum messbar; das ist nicht neu, es bestätigt
das Ergebnis von Abb. 2.
Eine entscheidende
Randbedingung sowohl für Abb.4 als auch für Abb. 5 auf
der rechten Seite ist, dass in diesem Gebäude im Sommer,
immer wenn es sinnvoll ist, die Fenster gekippt werden. Der Einfluss
der Fensteröffnung ist viel höher als der Einfluss der
inneren Wärmekapazität. Dies erklärt, warum das
PHI immer öffenbare
Fenster in jedem Raum eines Passivhauses empfiehlt.
Aus
Abb. 4 ist erkennbar, dass die Übertemperaturhäufigkeit
deutlich abnimmt, wenn ausgehend von einer geringen inneren Wärmekapazität
die vom Raum her zugängliche Speichermasse erhöht wird.
Das gilt zumindest für das mittel-, ost- und nordeuropäische
Klima, wurde aber auch z.B. für den Mittelmeerraum bestätigt
(vgl. Vortrag von Jürgen Schnieders in AG 8 der 10. Passivhaustagung).
Die hier zitierte Sommerfallstudie hat im übrigen ergeben,
dass die Verbesserung der Behaglichkeit im Sommer unabhängig
von der Lüftungsstrategie immer eintritt. Selbstverständlich
ist das sommerliche Innenklima in einem gut zu lüftenden
Raum besser als bei nur geringem Luftwechsel. Der Einfluss des
Luftwechsels ist übrigens um ein Vielfaches bedeutender als
der Einfluss der inneren Wärmekapazität - aber deren
Einfluss ist immer vorhanden, und er ist immer positiv.
Hinweis
für die Praxis: In das Sommerblatt des Passivhaus Projektierungs
Paketes (PHPP) gehen alle Einflüsse
auf die sommerliche Behaglichkeit ein. Mit diesem Instrument kann
eine Optimierung bzgl. Sommerlüftung, Verschattung, innerer
Wärmekapazität usw. erfolgen. |
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Der Einfluss der Wärmedämmung
auf die Behaglichkeit
im Sommer in einem Reihenendhaus

Abb. 5 Einfluss
der Wärmedämmung auf die Behaglichkeit eines Wohngebäudes
im Sommer (aus [Feist
1998]). Für diese Studie
wurde bei einem Massivbau der mittlere U-Wert im Bereich zwischen
Niedrigenergie- und Passivhaus variiert. Dargestellt sind:
- Die Häufigkeit
von Übertemperaturen (linke
Achse, rote Kurve) als Prozentsatz der Jahresstunden,
an denen die operative Temperatur über 25 °C steigt.
Das ist ein Maß für die "Unbehaglichkeit",
genauer, die Länge der Zeiträume, in denen es unbehaglich
wird.
- Der Jahresheizwärmebedarf
(rechte Achse, grüne Kurve). Dieser
ändert sich nahezu linear mit dem U-Wert; das ist nicht
neu, es bestätigt das Ergebnis von Abb. 3.
Das
Diagramm lässt erkennen, dass es unter den gegebenen Randbedingungen
(Wohnnutzung, gekippte Fenster wenn sinnvoll, Massivbau) nur sehr
selten zu Temperaturen über 25 °C kommt (weniger
als 44 h). Die Abhängigkeit von der Wärmedämmung
der Gebäudehülle ist nicht stark ausgeprägt: In
der Tendenz ist ein schlechter Wärmeschutz etwas ungünstiger
als eine gute Dämmung. |
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Fazit:
Die interne Speicherkapazität eines Wohngebäudes hat einen
nur geringen Einfluss auf den Jahresheizwärmebedarf. Sie wirkt
allerdings ausgleichend auf Temperaturschwankungen und kann dadurch
die Behaglichkeit auch im Winter verbessern. In jedem Fall ist es vorteilhaft
für die Behaglichkeit im Sommer, die dem Raum zugängliche
wirksame interne Wärmespeicherkapazität auf ausreichende Werte
zu erhöhen. Die innere Wärmekapazität ist allerdings nicht die
bedeutendste Einflussgröße für die sommerliche Behaglichkeit:
Die Möglichkeiten für eine erhöhte Lüftung, die
Verschattung hoher solarer Einträge und die Begrenzung der inneren
Wärmelasten sind wichtigere Einflussgrößen. Eine fehlende
sommerliche Verschattung großer Verglasungen kann z.B. auch durch
eine sehr große interne Speicherkapazität nicht ausgeglichen
werden.
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Anmerkungen
1)
Es mag überraschen, dass auch Randbedingungen bzgl. des Nutzerverhaltens
in eine solche Simulation eingehen. Nichts anderes ist aber z.B.
die Annahme, dass ein Gebäude im Winter auf mindestens 20 °C
beheizt wird. Aber diese Annahme allein reicht nicht: Wenn z.B.
unter Bedingungen mit hoher solare Einstrahlung im Gebäude
bei "unbeeinflusstem Betrieb" Temperaturen von 25 °C
(und mehr) bestehen würden, so wird jeder Nutzer versuchen,
die Behaglichkeit z.B. durch Fensteröffnen zu verbessern. Im
Standarddatensatz unserer Simulationen gehen wir sogar davon aus,
dass die Nutzer schon bei Temperaturen, die 1 °C über dem
Sollwert liegen, anfangen, die Fenster zu kippen. Das hat sogar
Einfluss auf den Verbrauch an Heizwärme: Würde man zulassen,
dass sich ein Gebäude im Sommer beliebig erwärmt, so wird
zum Herbst hin mehr eingespeicherte Sonnenwärme in die Heizperiode
übertragen. Fazit: Auch wenn man ein sehr gutes Programm
für eine Simulation verwendet, so muss man sich trotzdem einige
Gedanken machen über eine sachgerechte Auswahl der Randbedingungen.
Das Passivhaus ist kein theoretisches
Konzept. Tausende gebaute Häuser (Beispiele)
werden bereits genutzt. Die Grundlagen, die im Rahmen dieser Basisinformationen
dargestellt werden, haben sich in der Praxis bewährt.
Passivhäuser kann man
besichtigen: Einmal im Jahr ist der Tag
des Passivhauses. An diesem Tag öffnen Hunderte von Passivhausbewohnern
ihre Häuser, um es jedem Interessierten zu ermöglichen, einmal
selbst zu erleben, wie es sich in einem Passivhaus wohnt. Der Tag des
Passivhauses wird organisiert von der
Aktuelle Ergebnisse aus Passivhaus-Bauprojekten werden auf der Passivhaustagung
in Arbeitsgruppen vorgestellt.
Mehr
über die aktuelle Passivhaustagung: www.passivhaustagung.de.
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Literatur
[AkkP 5] Energiebilanz
und Temperaturverhalten; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises
kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut,
Darmstadt 1997 (Link
zur Publikationsliste, PDF,
200kB)
[AkkP 33] Passivhaus-Schulen;
Protokollband Nr. 33 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser,
1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 2006 (Link
zur Publikationsliste, PDF,
200kB)
[Feist 1993] Passivhäuser
in Mitteleuropa; Dissertation, Universität Kassel,
1993
[Feist 1998a] Feist,
Wolfgang: Passivhaus Sommerklima-Studie; Passivhaus
Institut, Darmstadt 1998 (Link
zur Publikationsliste, PDF,
200kB)
Hier
gibt es Informationen zum Passivhauskonzept.
Hier
gibt es Informationen zur Wirtschaftlichkeit von Passivhäusern.
Verzeichnis
aller Seiten dieses Kurses zum Thema Passivhaus: Verzeichnis-Passivhaus.
Link zur Homepage des Passivhaus
Institutes: 
(aktualisiert 03.07.2007 / 25.08.2006 Autor: Dr. Wolfgang Feist ©
Passivhaus Institut; unveränderte Wiedergabe unter Angabe der Quelle
gestattet)
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