Behaglichkeit im Passivhaus - warum eine bessere Wärmedämmung immer auch zu besserem Komfort führt


Abb. 1 Passivhausfenster, Luftströmung: Durch den geringen Temperaturunterschied zwischen Fensteroberfläche und Raumlufttemperatur ist die Luftgeschwindigkeit der am Fenster abfallenden Luft nur gering. Am Fußboden wird die Luft umgelenkt: In etwa 10 cm Entfernung vom Passivhausfenster (U=0,8 W/(m²K)) beträgt die maximale Luftgeschwindigkeit noch 0,11 m/s. Das ist ein kaum wahrnehmbarer Wert. Ist die Dämmwirkung des Fensters aber weniger gut, so steigt die Luftgeschwindigkeit auf störende Werte an. Deshalb ist es empfehlenswert, bei "normalen Fenstern" unter dem Fenster einen Heizkörper zu positionieren (CFD-Simulation: J. Schnieders, PHI).

Warme_

Abb. 2 Luftschichtung: Die Temperaturschichtung der Luft ist beim Passivhaus-Fenster ebenfalls nicht wahrnehmbar. Daher kann der Heizkörper auch an einer Innenwand stehen – und dennoch wird eine optimale Behaglichkeit gemäß ASHRAE-Comfortclass "A" erreicht. (Berechnung: J. Schnieders, PHI). Zum Vergleich mit einem gewöhnlichen Fenster haben wir einen Kurzfilm erstellt: Den können Sie sich hier ansehen.

Warmfenster Innenthermographie

Abb.3 Praxis Passivhaus: Wärmebildaufnahme eines Passivhausfensters von der Innenseite. Alle Oberflächen sind angenehm warm (über 17 °C): Blockrahmen, Flügelrahmen und die Verglasung. Selbst am Glasrand sinkt die Temperatur nicht unter 15 °C ab (hellgrün Aufnahme: PHI, im Passivhaus Kranichstein).

Altbaufenster_kalte_Oberf

Abb. 4 Praxis Isolierglasfenster: Zum Vergleich ein isolierverglastes Altbaufenster: hier liegen schon die mittleren Oberflächentemperaturen unter 14 °C. Aber auch der Einbau zeigt auffällige Wärmebrücken, besonders am Betonsturz. Die Folgen: Strahlungstemperatur-Asymmetrie, Zugluft und Kaltluftsee.
(IR-Aufnahme: PHI im Büroraum des Institutes)

Abb. 5 Zweischeiben-Wärmeschutzverglasungen, hier bei einer neu eingebauten Fenstertür, haben schon höhere Oberflächentemperaturen (16 °C im Mittel). Auffällig ist die sehr schlechte Dämmung des konventionellen Fensterrahmens. Passivhausrahmen erlauben eine bedeutenden Qualitätsverbesserung. (IR-Aufnahme: PHI, im Flur des Institutes)

 

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Behaglichkeit wird durch viele sehr subjektive Empfindungen bestimmt, wobei sogar die Farbe der Umgebung eine gewisse Rolle spielt - in jedem Fall aber die Stimmung der Person, die ihre Empfindung mitteilt. Ein wesentlicher Teil des Komforts hängt aber von der "thermischen Behaglichkeit" ab. Dieser Teil ist sehr gut erforscht - die Ergebnisse sind in weltweit eingeführten Normen enthalten (DIN EN ISO 7730). Einen wichtigen Anteil an den heute vorliegenden Erkenntnissen hat der dänische Wissenschaftler P. O. Fanger.

Optimale thermische Behaglichkeit stellt sich ein, wenn die Wärmeabgabe des menschlichen Körpers im Gleichgewicht mit seiner Wärmeproduktion ist. Daraus wird die Fanger'sche Behaglichkeitsgleichung abgeleitet. Diese stellt eine Beziehung her zwischen der Aktivität (z.B. Schlafen, Laufen,...) und Kleidung sowie den Bestimmungsgrößen der thermischen Umgebung, welche sind

  • die Lufttemperatur
  • die Temperatur der umgebenden Flächen,
    die man auch in der "Strahlungstemperatur" zusammenfassen kann,
  • die Luftgeschwindigkeit und ihre Turbulenz und
  • die Luftfeuchtigkeit.

Es gibt immer einen ganzen Bereich von Kombinationen der vier genannten Behaglichkeitsparameter, in dem die Behaglichkeit sehr gut ist: Das sogenannte Behaglichkeitsfeld. Es kann durch die Fanger'sche Gleichung, niedergelegt in ISO 7730, bestimmt werden. Weiter ist es nach dieser Norm wichtig, dass

  • die Schwülegrenze bzgl. der Luftfeuchtigkeit nicht überschritten wird,
  • die Luftgeschwindigkeiten eng begrenzt bleiben (für Geschwindigkeiten unter
    0,08 m/s wird die Zahl der Unzufriedenen bzgl. Zugluft
    kleiner als 6%)
  • die Differenz zwischen Strahlungs- und Lufttemperatur gering bleibt,
  • die Differenz der Strahlungstemperaturen in verschiedene Richtungen gering bleibt (weniger als 5 °C; sog. "Strahlungstemperatur-Asymmetrie")
  • die Raumlufttemperaturschichtung weniger als 2 °C zwischen Kopf und Fußknöchel bei einer sitzenden Person beträgt
  • die empfundenen Temperaturen sich im Raum von Ort zu Ort um weniger als 0,8 °C ändern.

Zum letzten Punkt schreibt P.O. Fanger: "Je ungleichmäßiger das thermische Feld in einem Raum ist, desto größer ist die erwartete Anzahl der unzufriedenen Personen."

Was hat das mit dem Passivhaus zu tun?

Richtig spannend ist, dass durch die Anforderungen des Passivhaus-Standards alle Behaglichkeitskriterien automatisch optimal erfüllt werden - eine erheblich bessere Wärmedämmung verbessert zugleich die thermische Behaglichkeit. Und das kann ganz einfach verstanden werden:

  • Durch eine bessere Wärmedämmung (gleichgültig, an welchem Außenbauteil) verringert sich der Wärmestrom von innen nach außen.
  • Daher ist auch der Wärmestrom vom Innenraum an die Innenoberfläche dieses Außenbauteils geringer. Der Wärmestrom überwindet den sog. Wärmeübergangswiderstand der Oberfläche (Strahlung und Konvektion).
  • Der geringere Wärmestrom hat einen geringeren Temperaturabfall über diesem Wärmeübergangswiderstand zur Folge, mit anderen Worten:
  • Die Temperaturdifferenz zwischen dem Raum (den Oberflächen im Raum und der Raumluft) und der Innenoberfläche des besser gedämmten Bauteils nimmt ab.

Die praktische Konsequenz: Bei sehr gut wärmedämmenden Außenbauteilen ist die Temperatur der Innenoberfläche nur wenig verschieden von den übrigen Temperaturen im Raum; das gilt im Sommer wie im Winter. In der kalten Jahreszeit bedeutet das, dass auch die Innenoberflächen der Außenbauteile behaglich warm sind (Außenwände, Dächer usw. höchstens 1 °C unter der Raumtemperatur, Fensteroberflächen maximal 3 bis 3,5 °C darunter [1]). "Passivhaus-Qualität", insbesondere bei Fenstern, wird sogar gerade so definiert: Die Dämmwirkung eines für Passivhäuser geeigneten Fensters muss so gut sein, dass bei kältesten Auslegungsbedingungen immer noch

&theta Raum - &theta Oberfl &le 3,5 °C

bleibt. Diese geringen Temperaturdifferenzen wirken sich nun auf alle Behaglichkeitskriterien aus, und zwar in folgender Weise:

  • Luftgeschwindigkeiten im Raum werden (von durch Fugen einströmender Kaltluft einmal abgesehen - die gibt es aber im luftdichten Passivhaus ohnehin nicht) durch den Auftrieb an unterschiedlich warmen Oberflächen erzeugt. Durch die geringen Temperaturdifferenzen sind die Auftriebskräfte nun nur sehr gering. In der Folge bleiben auch die Luftgeschwindigkeiten sehr gering.
    Abb.1 in der linken Spalte zeigt ein Simulationsergebnis mit einem CFD-Programm: Keine Zugluft im Aufenthaltsbereich, auch wenn kein Heizkörper unter dem Fenster vorhanden ist.
  • Die Differenz der Strahlungstemperaturen in verschiedene Richtungen können nicht höher als 3,5 °C werden, wenn die Außenoberflächentemperatur nur maximal 3,5 °C unter der Raumtemperatur liegt. Die Thermographieaufnahmen in Abb.3 bis Abb. 5 zeigen den Unterschied zwischen den verschiedenen Qualitäten von Fenstern.
  • Die Raumlufttemperaturschichtung zwischen Kopf und Fußknöchel bei einer sitzenden Person beträgt weniger als 2 °C - aber nur unter der Voraussetzung, dass der effektive mittlere U-Wert des Außenbauteils unter 0,85 W/(m²K) liegt. Vgl. dazu Abb. 2 in der linken Spalte.
  • Die empfundenen Temperaturen unterscheiden sich im Raum von Ort zu Ort um weniger als 0,8 °C.

Alle Behaglichkeitskriterien sind in optimaler Weise erfüllt, ohne dass es einer ausgleichenden Strahlungsheizfläche bedarf. In einem Raum im Passivhaus gibt es deshalb "automatisch" ein Strahlungswärme-Klima, unabhängig davon, wie die Wärme zugeführt wird. Mehr noch: da es keine großen Temperaturunterschiede gibt, bleibt auch die Luftbewegung gering. Die hier dargestellten Ergebnisse sind in der Publikation [1] (Internet-Quelle) belegt.

Dass sich diese Eigenschaften gut gedämmter Gebäudehüllen auch in der Praxis so wahrnehmen lassen, wird von drei unabhängigen Forschungsergebnissen bestätigt:

  1. Thermographieaufnahmen und Lufttemperatur- sowie Geschwindigkeitsmessungen in Passivhäusern bestätigen experimentell die hier dargestellten Ergebnisse. [2] (vgl. auch diese Seite)
  2. Physiologische Messungen von Bernhard Lipp objektivieren die Behaglichkeitsempfindung. [3]
  3. Sozialwissenschaftliche Befragungen einer repräsentativen Anzahl von Bewohnern liefern sehr gute Noten für gut wärmegedämmte Gebäude. [4]

Auch auf der aktuellen Passivhaustagung wird es wieder Referate zum Thema Behaglichkeit geben.

Literatur:

[1] Pfluger, R.; Schnieders, J.; Kaufmann, B.; Feist, W.: Hochwärmedämmende Fenstersysteme: Untersuchung und Optimierung im eingebauten Zustand (Anhang zu Teilbericht A), Internet-Publikation

[2] Schnieders, J.; Betschart, W.; Feist, W.: Raumluftströmungen im Passivhaus: Messung und Simulation HLH 03-2002, Seite 61
Kurzfassung im Internet: Bewohnererfahrung

[3] Lipp, B. und Moser, M.: Heizsysteme und Behaglichkeit: Ist Behaglichkeit physiologisch messbar? in: AkkP Protokollband Nr. 25, Darmstadt, 2004
Kurzfassung im Internet: Behaglichkeit

[4] Hermelink, Andreas: Werden Wünsche wahr? Temperaturen in Passivhäusern für Mieter; in: AkkP Protokollband Nr. 25, Darmstadt, 2004
Kurzfassung im Internet: Mieterbefragung

Zu der in diesem Zusammenhang oft diskutieren Frage der Bedeutung der Wärmespeicherung finden Sie Informationen auf der Seite Daemmen_oder Speichern.html.

(Überarbeitet: 22.10.2006

Autor: Dr. Wolfgang Feist  © Passivhaus Institut; unveränderte Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet)