Primärenergie-Einsparung
durch das Passivhaus
Dr. Wolfgang Feist, Passivhaus
Institut, Darmstadt, 2007
Worauf
es ankommt...
...ist
natürlich der Primärenergiebedarf, er bestimmt die Belastung
der Umwelt. Genau genommen: Der gesamte Primärenergiebedarf
aus nicht erneuerbaren Energiequellen, der an das Gebäude geliefert
wird1) - für alle Energiedienstleistungen
im Gebäude. In einem Wohnhaus somit auch für den Haushaltsstrom
(in der folgenden Grafik "gelb" dargestellt). Achtung: Die
derzeitige Berechnungsweise der Energieeinsparverordnung (EnEV) berücksichtigt
den Haushaltsstrom nicht.
Vergleich der Primärenergiekennwerte verschiedener Energiestandards
(bezogen auf Wohnfläche).
Womit wird verglichen?
Für
die Kategorie "Bestand" mit dem durchschnittlichen
Verbrauch der Gebäude aus den Baualtersklassen vor 1984.
Für die Kategorie "WschVO 84" mit
dem dort festgelegten Anforderungsniveau (leider gibt es keine stichhaltige
Statistik über tatsächliche Verbrauchswerte, diese liegen
vermutlich höher, da die Verordnung wichtige Punkte nicht geregelt
hat und weil gleichzeitig das Bauen immer "komplizierter"
wurde). [Eschenfelder 1999]
Für die Kategorie "WSchVO 1995" mit
dem dort festgelegten Anforderungsniveau (selbes Problem mit der Statistik).
Für die Kategorie "EnEV 2002" mit
dem dort festgelegten Anforderungsniveau (selbes Problem mit der Statistik)..
Die
Stapelsäulen für das Passivhaus stellen
die Messwerte aus dem Passivhaus
Darmstadt Kranichstein dar. Diese passen zur statistischen Erhebung
in gebauten Passivhaussiedlungen.[AkkP
28] 2)
Wenn energieeffiziente Haushaltsgeräte verwendet werden, sind
die hier gezeigten Werte typisch für heutige Passivhäuser.
Erkennbar sind zwei bedeutende Schritte: Eine erste Stufe der Heizwärmeeinsparung
vom typischen Altbau zur "EnEV", der freilich in drei Einzelschrittchen
zerlegt wurde (1984, 1995 und 2002). Und die zweite Stufe der Heizwärmeeinsparung
vom EnEV-Haus zum Passivhaus - besonders interessant, weil dabei nicht
nur Energie eingespart wird, sondern das ganze System einfacher, krisensicherer
und komfortabler wird. Freilich sollte in einem Passivhaus auch der
Haushaltsstrom effizient genutzt werden.
Heizung erst
einmal dominant...
Die Grafik zeigt: In bestehenden
Gebäuden ist es vor allem die Heizenergie, welche die Umwelt
belastet (64% des Primärenergiebedarfs). Die Wärmeschutz-Verordnungen
und die Energieeinsparverordnung haben dem Rechnung getragen - sie
stellen vor allem Anforderungen an den Wärmeschutz der Gebäude,
und das ist sinnvoll. Mit dem Qualitätsstandard der EnEV sinkt
der Heizenergiebedarf gegenüber dem Mittelwert bei Altbauten
auf weniger als die Hälfte. Nun ist der Primärenergieverbrauch
für den Haushaltsstrom etwa so groß wie für die Heizung
(jeweils mehr als 40%). Mit der EnEV wird der gesamte Primärenergieverbrauch
gegenüber alten bestehenden Gebäuden insgesamt um etwa 40%
verringert.
Im Passivhaus...
wird der Heizwärmebedarf
noch weiter verringert; auch das ist unbedingt sinnvoll, denn er stellt
immer noch den größten Einzelposten und eine bessere
Dämmung ist wirtschaftlich attraktiv - sie erhöht zudem
den Bautenschutz und die Behaglichkeit. Aber auch der Haushaltsstrom
verdient Beachtung; durch effiziente elektrische Geräte, gute
Regelung und Energiesparlampen ist es im Passivhaus Darmstadt Kranichstein
gelungen, den Stromverbrauch um mehr als 50% zu senken. Auch dabei
gibt es keine Komforteinbußen. Der Warmwasserbedarf, nicht so
bedeutend wie Heizung oder Haushaltsstrom, wird im Passivhaus Darmstadt
Kranichstein durch guten Wärmeschutz der Trinkwasserleitungen
und eine Solaranlage um über 75% gegenüber dem Bestand reduziert.
Insgesamt verringert der
Passivhaus-Standard den gesamten Primärenergiebedarf eines Wohngebäudes
gegenüber üblichen Neubauten (EnEV) um mehr als 70%. Das
ist absolut noch einmal etwa die Einsparung, die durch die EnEV gegenüber
Altbauten erreicht wird. Es verbleibt gegenüber einem durchschnittlichen
Altbau ein Primärenergieverbrauch, der etwa um einen Faktor 6
(auf 17%) verringert ist. Entscheidend ist nun: Weil der
Primärenergiebedarf so gering ist, kann er dauerhaft und umweltschonend
aus ortnahen erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Das Passivhaus ist
nachhaltig - es kann Teil einer auf Generationen stabilen Kreislaufwirtschaft
sein. Und dies funktioniert mit vertretbarem Aufwand.
Besser als
mit einem Passivhaus...
geht es nur, wenn auch
der nun verbleibende größte Verbrauchsanteil, und das ist
der Haushaltsstrom, bedeutend weiter verringert wird. Technisch ist
das möglich - es setzt Entwicklungsarbeiten bei den Herstellern
der Haushaltsgeräte voraus. Das Diagramm zeigt deutlich, dass
es wenig sinnvoll ist, sich über das Passivhaus hinaus noch auf
eine weitere Reduktion des Heizwärmebedarfs zu konzentrieren:
Davon wird im Passivhaus ohnehin nur vernachlässigbar wenig verbraucht.
"Nullheizenergiehäuser" sind aus Sicht des Umweltschutzes
kein wichtiges Ziel. Ökonomisch sind sie es ohnehin nicht, denn
beim Heizen gibt es ausgehend vom Passivhaus nicht mehr viel Geld
zu sparen - und weitere Systemvereinfachungen gibt es auch nicht.
Energieautarkie...
ist technisch möglich,
aber derzeit noch extrem aufwändig. Und worin liegt der Nutzen
für die Umwelt? Überall dort, wo es ein Stromnetz gibt,
kann aus erneuerbaren Energiequellen irgendwo erzeugter Strom ohne
besonderen Aufwand zum Gebäude transportiert werden - und auf
dem Grundstück selbst erzeugter Strom in Überschusszeiten
in das Netz eingespeist werden. Das ist für die Umwelt viel sinnvoller
als ein autarkes Gebäude.
Graue
Energie...
wurde
hier nicht dargestellt. Natürlich spielt auch der Energieaufwand
für die Herstellung eines Gebäudes eine Rolle: Der Herstellungs-Primär-Energie-Aufwand
(HEA). Dieser Aufwand wurde in zwei Publikationen systematisch untersucht
und ins Verhältnis zum Betriebsenergieaufwand gesetzt [Feist
1997][Mossmann, Kohler 2005]. Dies wird in der folgenden Internetseite
aufgearbeitet: Graue
Energie und Passivhaus. Soviel vorab:
- Die
meiste Graue Energie steckt im Herstellungsprozess der Baumaterialien.
Dauerhaftigkeit und Weiterverwendbarkeit sind daher die entscheidenden
Größen, wenn es um Energieeffizienz von Bauleistungen
geht.
- Der Herstellungsenergieaufwand
eines (ansonsten baugleichen) Passivhauses ist nicht bedeutend höher
als der eines sonst üblichen Neubaus; er kann sogar geringer
sein. Die "Primärenergieinvestition" amortisiert
sich sehr schnell, in der Regel in weniger als einem Jahr. So schnell
zahlen sich die finanziellen Mehrinvestitionen leider nicht zurück;
aber auch diese lohnen
sich.
Auch nicht ganz unwichtig...
Für die Einschätzung der Umweltbelastung ist der nicht
erneuerbare Primärenergiebedarf eine geeignete Größe.
Für die konkrete Umsetzung des Klimaschutzes ist es jedoch
noch wichtiger, dass die zu ergreifenden Maßnahmen...
- ...zuverlässig funktionieren... das ist für Wärmedämmung,
Warmfenster und Wärmerückgewinnung
nachgewiesen.
- ...praktikabel bei Neu- und Altbau eingesetzt werden können;
auch dies ist für Passivhäuser
und für die Modernisierung
mit Passivhaus-Komponenten erfolgreich demonstriert worden.
- ...bezahlbar bleiben. Denn Umweltschutz bietet nur dann eine volkswirtschaftliche
Perspektive, wenn die Aufwendungen nicht zu hoch werden. Gerade
hier hat Energieeffizienz einen großen Vorteil: Sie ist nämlich
einzelwirtschaftlich
rentabel.
Übrigens...
Das Passivhaus Projektierungs Paket [ PHPP
] ist ein umfassendes Tool zur Bestimmung von Gebäude-Energiebilanzen,
das vollständige Primärenergiekennwerte bereits in seiner
1. Auflage 1997 ausgewiesen hat. Mit den Tools ist es ähnlich
wie mit den Konzepten: Sie müssen eine Hilfe für den
Planer sein, sonst verfehlen sie ihren Zweck.
Literatur
[AkkP 28] Wärmeübergabe- und Verteilverluste,
Protokollband Nr. 28 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser
Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2004.
[Eschenfelder 1999] Eschenfelder, D., Das Niedrigenergiehaus
in NRW – Test; Bauphysik 21/1999,
Heft 6, S. 260-267.
[Feist 1997] Feist, Wolfgang: Lebenszyklusbilanzen im Vergleich:
Niedrigenergiehaus, Passivhaus, Energieautarkes Haus, In:
Arbeitskreis Kostengünstige Passivhäuser, Protokollband
Nr. 8: “Materialwahl, Ökologie und Raumlufthygiene“,
Hrg.: Wolfgang Feist, Passivhaus Institut, Darmstadt, 1997, S. V/1
– V/11.
[Mossmann, Kohler 2005]
Mossmann, Cornelia; Kohler, Nikolaus; Jumel, Stéphanie: Lebenszyklusanalyse
von Passivhäusern; Im Tagungsband
der 9. Passivhaustagung, Ludwigshafen-Darmstadt 2005, S. 333-338
[PHPP 2007] Feist, W.; Kah, O.; Kaufmann, B.; Pfluger, R.; Schnieders,
J.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Passivhaus
Institut Darmstadt, 2007.
Anmerkungen:
1)
Die Umweltwirkungen des Energieumsatzes sind vielfältiger
Natur: Ressourcenverbrauch, Belastung der Atmosphäre mit Schadstoffen
(z.B. CO2 und Treibhauseffekt), Belastung des Wassers
und des Bodens (z.B. mit radioaktiven Abfällen), Belastung
der Landschaft u.v.a.m. Es ist derzeit nicht möglich,
die verschiedenen Wirkungen gegeneinander abzuwägen und die
Risiken quantitativ zueinander in eine Ordnungsbeziehung zu setzen.
Wohl ist unstrittig, dass es jeweils sehr ernste Risken gibt (Klimawandel,
Proliferationsproblematik bei Kernwaffen, Generationssicherheit
bei der Lagerung von Abfällen). Risiken dieses Ausmaßes
gibt es bei erneuerbaren Energieträgern und bei der Energieeffizienz
nicht - jedenfalls so lange nicht, wie auf eine nachhaltige Nutzung
geachtet wird (Kein Abholzen von Wäldern zur Brennstoffgewinnung).
Vor diesem Hintergrund ist der nicht erneuerbare Bedarf
an Primärenergie die derzeit beste Bewertungsgröße
für die summarische Belastung der Umwelt durch Energieanwendungen.
Hierfür (wie manchmal vorgeschlagen) allein CO2
zu verwenden, spielt andere Gefahren und die Bedeutung der Ressourcenlage
herunter. Dieser Bewertungsansatz setzt sich im Übrigen auch
bei anderen Autoren immer mehr durch. Für diese Bewertung spricht
außerdem, dass nicht erneuerbare Energieträger sehr weitgehend
und meist sogar rasch durcheinander substituierbar sind - sollten
bestimmte Risiken sich manifestieren, muss mit einem umfassenden
Substitutionseffekt gerechnet werden. Wir wissen heute nicht genau,
welche Primärenergieträger (Öl, Gas, Kohle oder Uran)
in 30 Jahren tatsächlich überwiegend verwendet werden
- eine Bewertung über die insgesamt eingesetzte Primärenergie
wird auch dieser zusätzlichen Unsicherheit am besten gerecht.
2)
Die Einsparung an Primärenergie von ganz links
(Bestand, statistisch gesicherte Durchschnittsdaten) nach
ganz rechts (Passivhaus, belegt durch Statistik aus ca.
300 Objekten, Durchschnittswerte gemessen auf etwa ±1,5kWh/(m²a)
genau) ist statistisch gesichert. Sie beträgt
83% bzw. 5/6 des heutigen Durchschnittsverbrauchs an Primärenergie.
Die Angaben zu den anderen Standards sind nicht statistisch gesichert.
Aus der erwiesenen Wirksamkeit der Effizienzmaßnahmen am Passivhaus
lässt sich aber schließen, dass die hier angegebenen
rechnerischen Werte auch ungefähr erreicht werden. -- Alle
Werte sind auf die beheizte Wohnfläche bezogen. Da die Verordnungen
auf eine (20 bis 30% größere) sog. Nutzfläche AN
beziehen, die Statistik sich aber schon immer auf Wohnflächen
bezogen hat, musste der Flächenbezug umgerechnet werden.
Link
zur Startseite der Informationen zum Passivhaus:
Passivhaus-Grundlagen.
Link
zur Homepage der Passivhaustagung: Passiv
Haus Konferenz.
Link
zur Homepage des Passivhaus Institutes::
Link
zur IG-Passivhaus, der Informationsgemeinschaft:
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