Anmerkungen zur Geschichte

 

Wann wurde das erste Passivhaus gebaut? Wer hat das Passivhaus erfunden? Ist "Passivhaus" nur ein neuer Name für "supergedämmte Häuser" (superinsulated homes)? Hier gibt es einige Anmerkungen dazu, naturgemäß unvollständig, aber bemüht, ein wenig Klarheit zu schaffen.


Traditionelle Gebäude in Südchina. Bei diesem Klima stellt eher der Sommer eine Kühlaufgabe; Wohnhäuser brauchen keine Heizung.

Traditionelle Passivhäuser

In vielen Klimaregionen der Welt braucht man keine Heizung und keine aktive Kühlung, wenn man einigermaßen "vernünftig" baut (Teile Irans, Küste Portugals, Teile Südchinas,...). Dort wurden schon immer auch "passive Häuser" gebaut, wenn gleich auch nicht als solche klassifiziert. Dies tat Bo Adamson (1990) und aus der Frage, ob dies mit technisch vertretbaren Mitteln auf Europa übertragen werden kann, entstand die Idee zum Forschungsprojekt "passive Häuser".

[Adamson 1992] Adamson, B. "Passive Climatisation of Residential Buildings in China", Lund University, Report TABK-92/3006 (1992)


Torfrasenhäuser in Island.

Traditionelle Passivhäuser in Island

In Island gab es nach der Brennholzkrise im Mittelalter eine Tradition der "Torfrasenbauweise". Das waren Passivhäuser, wenngleich ohne angemessene Fenster und ohne ausreichende Lüftung.

Brennholzkrise: Im 17. und 18. Jh. wurde in Europa das Brennholz durch Übernutzung der Wälder knapp. Die Lösung war hier die Förderung von Kohle. In Island gab es diese Lösung nicht. Not macht erfinderisch: Die Isländer haben schnell herausgefunden, dass gut gedämmte Häuser auch von selbst warm bleiben.

Von der Existenz dieser Häuser hat der Autor 1998 erfahren.


Die "Fram", das Polarschiff von Fritjof Nansen, war ein Passivhaus (1883).

 

Forschungsschiff Fram war Passivhaus (!)

Das erste wirklich funktionsfähige und vollwertige Passivhaus war kein Haus, sondern ein Schiff: Die Fram von Fritjof Nansen (1883). Er selbst schreibt:

"... Die Wände sind mit geteertem Filz bedeckt, darauf folgt Korkfüllung, dann eine Vertäfelung aus Tannenholz, dann wieder eine dicke Filzlage, dann luftdichtes Linoleum und schließlich wieder eine Täfelung. Die Decken ... sie haben alles in allem eine Dicke von ungefähr 40 cm. Das Fenster, durch das die Kälte besonders leicht eindringen konnte, wurde durch dreifache Scheiben und auf ander Weise geschützt. (Hier) ist ein warmer, gemütlicher Aufenthaltsort. Ob das Thermometer 5° oder 30° unter dem Nullpunkt steht, wir haben kein Feuer im Ofen. Die Ventilation ist ausgezeichnet, ...da sie geradezu frische Winterluft durch den Ventilator hinabtreibt. Ich gehe daher mit dem Gedanken um, den Ofen ganz wegnehmen zu lassen; er ist nur im Wege." (aus Nansen: "In Nacht und Eis", 1887)

Informationen zum Passivhaus-Polarschiff hat Rainer Pfluger 1999 "ausgegraben".


Das DTH-Nullenergiehaus auf dem Campus in Kopenhagen.

Systematische Forschung: Vagn Korsgaard und das DTH-Nullenergiehaus

Auch das "DTH-Nullenergiehaus" von Prof. Vagn Korsgaard (Kopenhagen, 1973) war ein Passivhaus. Systematisch wurden an der Dänischen Technischen Hochschule Simulationen durchgeführt, Entwürfe optimiert und das erste solche Haus gebaut. Das Objekt ist nach wie vor als Gästehaus der Universität in Gebrauch - alle passiven Systeme funktionieren auch noch. Allerdings: Die aktive Solartechnik wurde nach Defekten nicht erneuert.

Die Zielsetzung "Nullenergiehaus" wurde in der Folge an der DTH zugunsten des "Niedrigenergiehauses" zurückgestellt.

[Korsgaard et al 1978] DTH-Nul-Energihus; Technical University of Denmark, 1978

Die Erfahrungen aus diesem Projekt flossen in die Passivhaus-Forschung von Anfang an ein.


Das Philips-Experimentierhaus (aus: Hörster et al)

Systematische Arbeiten in Deutschland: Hörster und Steinmüller mit dem Philips-Experimentierhaus

Zeitgleich zu den skandinavischen und amerikanischen Entwicklungen gab es auch in Deutschland mit Förderung durch das Bundes-Forschungsministerium eine systematische Untersuchung zu energieeffizienten Gebäuden, die von H. Hörster (Leiter der Arbeitsgruppe), B. Steinmüller und anderen durchgeführt wurde. Mit Simulationen wurden die entscheidenden Parameter für energiesparende Häuser in Deutschland bestimmt und im Feldversuch bestätigt. Das Ergebnis war ein supergedämmtes Einfamilienhaus mit aktiver Solartechnik, das als Experimentierhaus diente, jedoch nicht bewohnt war.

H. Hörster (Hrsg.): Wege zum energiesparenden Wohnhaus; Hamburg, 1980

Die Erfahrungen auch dieses Projektes flossen in die Passivhaus-Forschung von Anfang an ein.


Beispiel eines "superinsulated home" in den USA.

Pioniere in Nordamerika: William A. Shurcliff und Wane Shick

Eine ganze Reihe nordamerikanischer Entwicklungen der späten 70er und frühen 80er Jahre ("superinsulated houses") waren sehr nahe am Passivhaus. William A. Shurcliff (1981) hat zahlreiche Publikationen hierzu verfasst. Diese Arbeiten waren eine wichtige Grundlage für die Niedrigenergie- und Passivhäuser in Europa.

[Shurcliff 1980] Super Insulated Houses and Double Envelope Houses, Brick House, Andover, 1st edition 1981

 


Das "Rocky Mountains Institute (rmi)" von A. and H. Lovins. (Foto: rmi)

Passiv in 2164 m Höhe: Das Rocky Mountains Institute von Amory & Hunter Lovins

Amory Lovins, weltweit bekannt durch seine Publikationen zu alternativen Energiepfaden, beließ es nicht bei der Theorie. In 2164 m Höhe baute er in Old Snowmass, Colorado, ein extrem gut wärmegedämmtes und zugleich passiv solares Haus. Im Wintergarten gedeiht tropische Vegetation, der Ofen wird nur selten benutzt.

Diese Erfahrungen gaben der Passivhaus Forschung die Sicherheit und das Vertrauen, dass die Physik auch in der Praxis funktioniert. A. B. Lovins hat 1995 das Passivhaus Darmstadt Kranichstein besucht. Von Lovins kam die Anregung, das Passivhaus nicht nur als Forschungsprojekt zu begreifen, sondern als Lösung für einen Energiestandard der Zukunft.

Lovins, A. & H.: Sanfte Energie, Hamburg 1978
Carlock, M.: A Solid Stand on Solar Battlements; in Solar Age, Jan 1985, S. 19-22
Weizsäcker, U.; Lovins, A. & H.: Faktor Vier, München 1995


Das "Nullenergiehaus" in Dörpe bei Hannover.

Das "Nulli" in Dörpe

Das "Nullenergiehaus" von Erhard Wiers-Keiser und dem Verein "Ökologische Zukunftswerkstatt Minimal- und Nullenergiehäuser e.V." (1989) hatte rechnerisch geringere Bedarfswerte als ein Passivhaus, im Betrieb aber leider höhere Verbrauchswerte. Probleme bereitete die Luftdichtheit (unverstärkte Baupapiere), die innenliegenden Dämmläden und die solare Speichertechnik. Der 10 m³ Solarjahresspeicher wurde später entfernt, um Platz für einen Flügel zu schaffen. Das Haus wird aber nach wie vor genutzt - als "Fast-Passivhaus". Robert Borsch Laaks hat entscheidende Beiträge an der Detailentwicklung geleistet.

Hinz, E. et al: Messdatenerfassung und Auswertung beim ökologischen Nullenergiehaus Dörpe, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 1994

An diesem Projekt waren viele Mitwirkende der Passivhaus-Forschungsgruppe beteiligt.

Wesentliche Probleme bei den frühen Häusern waren:

  • Das noch fehlende Bewusstsein über die Notwendigkeit einer dauerhaften Luftdichtheit. Erkenntnisse dazu wurden vor allem in Schweden gesammelt. Prof. Arne Elmroth ist einer der entscheidenden Pioniere in dieser Frage.
  • Fehlende gute Lösungen für energieeffiziente Fenster (Lovins: "Wir hätten eine bessere thermische Trennung der Fensterrahmen verwenden sollen."). Dadurch waren die Fenster oft klein oder sie mussten aufwändig mit temporärer Dämmung verdeckt werden. Beides waren Gründe, warum der Ansatz in der Breite nicht aufgenommen wurde.
  • Fehlende Zuverlässigkeit der Energieeffizienz der verwendeten Technik. In vielen Projekten kam es zum Effekt der "technological christmas trees", komplizierter Technik, die am Ende nicht oder nicht lange funktionierte.

Weiter zu nennen sind die Entwicklungen und Erfahrungen vieler Pioniere in der Schweiz (z.B. Conrad U. Brunner, Ruedi Kriesi und Josef Jenni) und in Österreich (Helmut Krapmeier, Richard Caldonazzi, Sture Larsen).



Ingolstadt-Halmstadt: Niedrigenergiehäuser (30 kWh/(m²a) Heizwärmebedarf) in zwei Ländern von Architekt Hans Eek (1985).

Super-Niedrigenergiehäuser von Hans Eek

In Schweden wurde der Weg des "Niedrig-Energie-Hauses" beschritten. Die Erfahrungen mit komplizierter, unzuverlässiger Technik hatte man dort schon früh gemacht und gelernt, die wesentlichen Dinge richtig zu machen: Luftdichtheit, sehr gute Wärmedämmung, gute Fenster, zuverlässige mechanische Lüftung. Ein wichtiger Pionier in Schweden ist Hans Eek - seine Lebensgeschichte spiegelt die Erfahrungen der Bauforschung direkt wider: Vom "technological christmas tree" über das Super-Niedrigenergiehaus zum Passivhaus. Hier abgebildet sind Reihenhäuser aus dem deutsch-schwedischen Ingolstadt-Halmstad Projekt. Diese Häuser sind zwar keine Passivhäuser, aber zum Passivhaus ist es nur ein kleiner Schritt.

Hans Eek war und ist Kooperationspartner in allen Phasen der Passivhaus-Entwicklung.


Das energieautarke Solarhaus des ISE in Freiburg. Das Gebäude wird heute wie ein Passivhaus genutzt.

Das energieautarke Solarhaus in Freiburg

Das "energieautarke Solarhaus" (ISE, Freiburg 1991/92, Wilhelm Stahl) wurde praktisch zeitgleich mit dem Passivhaus in Darmstadt errichtet. Es kommt ebenfalls einem Passivhaus sehr nahe. Die zum Teil sehr aufwendige autarke Versorgungstechnik mit Wasserstoffspeicher wurde nach Ende des Messzeitraumes nicht weiter betrieben. Die passiven Techniken und die Wärmerückgewinnung haben sich sehr gut bewährt. Heute testet das ISE in diesem Haus Passivhaus-Kompaktheizgeräte unter Praxisbedingungen auf ihre Tauglichkeit.

Mit dem ISE und mit Wilhelm Stahl hat sich die Passivhaus-Gruppe während des Baus der Projekte ausgetauscht und es wurde gegenseitige Unterstützung geleistet.


Passivhaus Darmstadt Kranichstein, Südaufnahme.


Passivhaus Kranichstein, Nordseite.

Das Passivhaus Darmstadt Kranichstein

Ein Team von Wissenschaftlern war am "Bauvorbereitenden Forschungsprojekt Passive Häuser" beteiligt - eine internationale Kooperation, an der auch Bo Adamson und Gerd Hauser beteiligt waren. Systematisch wurden mit Förderung durch das Land Hessen die Bedingungen für energieeffiziente Häuser erforscht und Prototypen neuer Bauteile entwickelt und gefertigt: U.a. gedämmte Fensterrahmen, reduzierte Wärmebrücken und CO2-geregelte Lüftung.
Nach Plänen von Prof. Bott/Ridder/Westermeyer wurde 1990/91 von einer privaten Bauherrengemeinschaft vier Reihenhauseinheiten errichtet. Die Häuser sind seit 1991 normal bewohnt. Ein begleitendes Messprogramm förderte Erkenntnisse zu hochwärmedämmenden Bauteilen, Fenstern, der Lüftungs-Wärmerückgewinnung, dem Nutzerverhalten, der Raumluft-Qualität, dem Aufkommen an inneren Wärmequellen und vieles mehr.

Unter normaler Wohnnutzung bestätigte dieses Projekt die einwandfreie Funktion aller wesentlichen Komponenten - und dies ungestört bis heute. Der gemessene Energieverbrauch für Heizung ist seit 15 Jahren stabil geringer als 10 kWh/(m²a), die Einsparung gegenüber traditionellen Gebäuden beträgt somit mehr als 90%. Dabei wurde eine sehr gute Luftqualität gemessen und die hohe thermische Behaglichkeit durch Feldmessungen und durch Befragungen der Nutzer bestätigt.

Die meisten Komponenten (z.B. gedämmte Fensterrahmen) waren bei diesem Projekt einzeln handwerklich gefertigte Sonderlösungen; deren einwandfreie Funktion war der ausschlaggebenden Anlass, Serienproduktionen von Bauteilen dieser Qualität aufzunehmen.

Feist, W. (Hrsg.): Bauvorbereitendes Forschungsprojekt Passive Häuser; IWU, Darmstadt, 1992

Feist, W. und Werner, J.: "Gesamtenergiekennwert < 32 kWh/(m²a)"; Bundesbaublatt 2/1994

Das Passivhaus ist ein Konzept für höchste Behaglichkeit mit sehr geringem Heizenergiebedarf - die präzise Definition lautet:

"Ein Passivhaus ist ein Gebäude, in welchem die thermische Behaglichkeit (ISO 7730) allein durch Nachheizen oder Nachkühlen des Frischluftvolumenstroms, der für ausreichende Luftqualität (DIN 1946) erforderlich ist, gewährleistet werden kann - ohne dazu zusätzlich Umluft zu verwenden."

Diese Definition ist rein funktional, enthält keinerlei Zahlenwerte und gilt für jedes Klima. Die Definition zeigt, dass es nicht um einen willkürlich gesetzten Standard geht, sondern um ein grundlegendes Konzept.

Das Passivhaus wurde also nicht erfunden - das Passivhaus-Prinzip wurde vielmehr entdeckt.

Gar nicht selten inder Geschichte wurden Prinzipien angewendet, bevor man sich ihrer bewusst wurde. An der Entdeckung waren viele Institutionen und Personen beteiligt, ohne jeden Einzelnen hätte ein wichtiges Stück im Puzzle gefehlt. Jede Liste ist unvollständig, da wissenschaftliche Arbeiten immer auf vielen früheren Ergebnissen aufbauen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wichtig waren immer auch die Kontrahenten: Personen, die deutlich machten, dass sie rein gar nichts von diesem Ansatz hielten. Sie halfen, die Gedanken zu schärfen und das Prinzip klarer herauszuarbeiten.

"Passivhaus" ist auch nicht einfach nur ein neuer Name für "Superinsulated Houses", obwohl ein Passivhaus in kalten Klimaregionen einem superwärmegedämmten Haus meist sehr ähnlich wird. Das Passivhaus-Konzept schreibt nämlich die Technik, mit welcher das funktionale Ziel erreicht wird, nicht vor. Auch die "Passive Solar Homes" alter Provenienz können Grundlage für ein funktionierendes Passivhaus sein. "Passive Solar Homes" und "Superinsulated Houses" wurden lange Zeit von ihren jeweiligen Verfechtern als konkurrierende Konzepte verstanden. Robert Hastings, Pionier der amerikanischen "passive solar architecture" half entscheidend mit, diese Gegensätze zu überwinden.

Wie es nach 1991 weiterging, dazu finden sich Informationen auf der Seite Passivhaus-Beispiele sowie in den Tagungsbänden der jährlich stattfindenden Passivhaustagung (ab 1996).

 

Jeder kompetente Architekt kann ein Passivhaus entwerfen. Schritt für Schritt kann bei jeder Neubauplanung der Passivhausstandard erreicht werden - diese Seite zeigt das an einem Beispiel.

Passivhäuser kann man besichtigen: Einmal im Jahr ist der Tag des Passivhauses. An diesem Tag öffnen Hunderte von Passivhausbewohnern ihre Häuser, um es jedem Interessierten zu ermöglichen, einmal selbst zu erleben, wie es sich in einem Passivhaus wohnt. Der Tag des Passivhauses wird organisiert von der

 


Aktuelle Ergebnisse aus Passivhaus-Bauprojekten werden auf der Passivhaustagung in Arbeitsgruppen vorgestellt.

Mehr über die Passivhaustagungen: www.passivhaustagung.de.

 

Das Passivhaus ist kein Markenname, sondern ein Baukonzept, das allen offen steht. Hier finden Sie Beispiele: Passivhaus-Beispiele.

Auch bei der Modernisierung von Altbauten können Passivhaus-Komponenten gute Dienste leisten - hier finden Sie Beispiele.

Einen Überblick zu den Informationen finden Sie mit diesen Link: Verzeichnis-Passivhaus.

Hier gibt es mehr Informationen zum Passivhauskonzept.

Ist der Bau von Passivhäusern wirtschaftlich? Eine Beispielrechnung finden Sie auf dieser Seite: Wirtschaftlichkeit von Passivhäusern.

(aktualisiert 16.09.2006 Autor: Dr. Wolfgang Feist  © Passivhaus Institut; unveränderte Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet. Diese Seiten werden ständig aktualisiert und erweitert.)