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Dr. Wolfgang Feist,
Passivhaus Institut in Darmstadt,
1997, { kommentiert 2007 } 1. Vorbemerkung Die ersten Nullenergiehäuser, die schon in den 70er Jahren gebaut wurden, erforderten noch komplizierte und teure technische Systeme. Heute führt die Erfahrung mit Niedrigenergiehäusern jedoch auf einen einfachen und praktikablen Weg: Kostengünstige hochgedämmte Häuser ohne Heizsystem, genannt Passivhäuser, bilden den Standard von morgen. Passivhäuser sind einfach, betriebssicher, nutzerfreundlich und komfortabel. Daß die Lösung der Umweltprobleme beim Energieeinsatz für die Raumheizung so einfach sein könnte, wurde noch vor kurzer Zeit selbst von den Experten nicht erwartet. Auch das energieautarke Haus ist vor diesem Hintergrund realisierbar geworden - wenngleich der Aufwand derzeit noch sehr hoch ist: Weitere Fortschritte sind aber absehbar. { 2006: bedeutende Fortschritte, insbesondere bei den Fenstern und bei der Lüftungstechnik hat es bereits in der kurzen seit 1997 vergangenen Zeit gegeben. Weitere Entwicklungen sind auf dem Weg. Immer noch ist das energieautarke Haus in Gebieten, in denen eine Stromversorgung vorhanden ist, zu teuer und zu aufwendig. } 2. Das Niedrigenergiehaus Das "Nullenergiehaus" ist ein Ziel, an dessen Verwirklichung sich schon in den siebziger Jahren einige Architekten und Wissenschaftler versucht haben (KORSGAARD 1976, HÖRSTER 1980, SHURCLIFF 1981). Den gesamten Energieverbrauch eines Hauses auf Null zu senken, ist aber eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, die auch heute nur von wenigen teuren Pilotprojekten gelöst wurde. { Das hat sich auch 2006 nicht geändert: Nullenergie ist zwar technisch möglich, aber derzeit ökonomisch nicht in der Breite umsetzbar. } Die Erfahrung führte zu einer etwas bescheideneren Zielsetzung: Das Niedrigenergiehaus (NEH) erwies sich als ein einfacher, kostengünstiger und rasch einführbarer Standard. In Schweden waren bereist am Anfang der achtziger Jahre zahlreiche Niedrigenergiehäuser in Forschungs- und Demonstrationsprojekten gebaut worden. Dieser Standard hat sich dort so bewährt, daß schon Mitte der achtziger Jahre überwiegend in Übererfüllung der Baunorm Niedrigenergiehäuser gebaut wurden. Mit dem "Nybyggnadsregler" wurde 1991 der NEHStandard in Schweden obligatorisch. { 2006: In Schweden ist es inzwischen zum politischen Ziel erklärt worden, das Land vom Öl unabhängig zu machen. } Auch in Deutschland soll das Niedrigenergiehaus laut Forderung des Bundesrates und Erklärung der Bundesregierung bis Ende der neunziger Jahre zum allgemein verbindlichen Baustandard werden. { 2006: Die Energieeinsparverordnung (EnEV) trat 2002 in Kraft. Allerdings ist das Anforderungsniveau eher mäßig, es bleibt jedenfalls weit hinter den in Schweden schon seit 1980 gültigen Werten zurück.Aber auch in Deutschland wird heute oft schon besser gebaut als es die staatliche Verordnung fordert. } Sehr geringer Heizwärmebedarf Niedrigenergiehäuser haben einen Jahresheizwärmebedarf unter 70 kWh/(m2a) bezogen auf die Wohnfläche. Der Heizenergieverbrauch von Niedrigenergiehäusern ist damit um mindestens 30% geringer als der von Wohnhäusern nach der novellierten Wärmeschutzverordnung von 1995.
Dabei sind Niedrigenergiehäuser mit bewährten Methoden zu planen und wirtschaftlich zu errichten: Entscheidend sind ein sehr guter Wärmeschutz, Vermeidung von Wärmebrücken, Luftdichtheit, Wärmeschutzverglasungen und eine kontrollierte Wohnungslüftung (FEIST 1996B). Für den Standard von Niedrigenergiehäusern kommt man noch mit einfachen und kostengünstigen Abluftanlagen aus, wobei (kalte) Frischluft durch Außenwanddurchlässe nachströmt.{ 2006: Leider sind in den letzten Jahren auch viele luftdichte Neubauten ohne kontrollierte Wohnungslüftung gebaut worden. Das führt zu unnötig belasteter Innenraumluft - das PHI hat schon immer bei Neubauten und Sanierungen den Einbau einer Lüftung empfohlen. } Niedrigenergiehaus als Standard Weil alle Komponenten von Niedrigenergiehäusern ausschließlich verbesserte Varianten ganz gewöhnlicher, in jedem Neubau erforderlicher Bauteile darstellen, ist das Niedrigenergiehaus ohne besonderen Zusatzaufwand zu errichten. Erste Projekte wurden bereits 1986 vom Hessischen Umweltministerium gefördert und erwiesen sich als sehr erfolgreich (FEIST 1988). Es folgten Förderprogramme anderer Bundesländer und besonders engagierter Gemeinden. Mitte der neunziger Jahre ist der Standard in Deutschland bereits so weit entwickelt, daß gute Niedrigenergiehäuser zu gleichen oder sogar geringeren Baukosten am Markt angeboten werden wie gewöhnliche Wohnbauten (RASCH 1995). Die Erfahrungen mit den gebauten Niedrigenergiehäusern waren durchweg positiv: Der Baustandard ist in der Praxis ohne weiteres umzusetzen, die Nutzer sind mit ihren Wohnungen zufrieden und die erwarteten niedrigen Energieverbräuche stellen sich regelmäßig ein (FEIST 1994, LOGA 1996).{ 2006: in [Feist 1997] wurden die Messergebnisse statistisch ausgewertet und diese Aussage auf hohem Signifikanzmaß bestätigt. Vgl. auch Passivhaus-Praxisergebnisse } Innovationen bei Architekten und Produkten Für die breite Umsetzung des Standards ist nun vor allem eine qualitativ hochwertige Weiterbildung von Architekten, Fachingenieuren und Handwerkern erforderlich { 2006: Auch das gilt heute noch. Aber es bezieht sich vor allem auf die Kenntnisse zum Bau von Passivhäusern }. Auch das Angebot innovativer Bauprodukte (Verglasungen mit niedrigen k-Werten { 2006: U-Werten }, gedämmte Fensterrahmen, vorgefertigte Bauteile zur Vermeidung und Reduzierung von Wärmebrücken) werden die rasche Einführung dieses Standards erleichtern. 3. Der Passivhaus-Standard Die konsequente Weiterentwicklung des Niedrigenergiehauses ist das Passivhaus. Auch das Passivhaus bezeichnet einen Baustandard, nicht eine bestimmte Bauweise (FEIST 1989/1994). Ein Passivhaus ist ein Gebäude, in welchem der Heizwärmebedarf so gering ist, daß ohne Komfortverlust auf ein separates Heizsystem verzichtet werden kann; dies ist in Deutschland bei einem Jahresheizwärmebedarf unter 15 kWh/(m2a) bezogen auf die Wohnfläche der Fall. { 2006: Auch das gilt heute noch.} Haus ohne Heizsystem Der Verzicht auf das separate aktive Heizsystem ermöglicht es, Passivhäuser kostengünstig zu realisieren. Entscheidend war die Erkenntnis, daß für den Verzicht auf eine Heizwärmeverteilung und separate Heizflächen der Wärmebedarf nicht Null sein muß: Ist die maximale Heizlast kleiner als 10 W/m2, so kann die von Zeit zu Zeit noch erforderliche extrem geringe Nacherwärmung ohne zusätzlichen Aufwand über die Zuluft erfolgen. Weder muß dazu die Luftmenge erhöht werden, noch liegt dann die Luftaustrittstemperatur jemals über 30oC. { 2006: Hier ist heute eine Korrektur erforderlich, die den Bau von Passivhäusern erleichtert: Wir wissen heute, dass sogar Austrittstemperaturen bis 50 °C kein Problem darstellen. Dadurch ändern sich die Grundsätze nicht - aber in der Praxis werden Planung und Ausführung vereinfacht.Vgl. dazu auch klimaunabhängige Passivhaus-Definition }
Dieser qualitative Sprung vom guten Niedrigenergiehaus zum Haus ohne aktive Heizung - eben zum Passivhaus - erfolgt gerade beim Restheizwärmebedarf von 15 kWh/(m2a). { 2006: Das ist natürlich nur näherungsweise gültig, und auch nur für Wohngebäude in Mitteleuropa. Inzwischen sind auch viele andere Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungen als Passivhaus gebaut worden - mit entsprechend anderen Kennwerten. Auch in anderen Klimazonen gibt es inzwischen Passivhäuser, die der oben aufgeführten klimaunabhängigen Definition entsprechen.} Erste gebaute Passivhäuser zeigen, daß ein solcher Wert immer noch mit den bewährten, weiter verbesserten Komponenten des Niedrigenergiehauses erreichbar ist: { 2006: Dies ist inzwischen durch Tausende gebaute Passivhäuser bestätig worden, siehe z.B. Beispiele_Passivhaus . Heute können wir in Anlehnung an das weiter oben zu findende Statement sagen: "Dabei sind Passivhäuser mit bewährten Methoden zu planen und wirtschaftlich zu errichten: Entscheidend sind ein wirklich sehr guter Wärmeschutz, Vermeidung von Wärmebrücken, Luftdichtheit, 3-Scheiben-Wärmeschutz-Verglasungen im gedämmten Fensterrahmen und eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung } Erfahrungswerte -
einem sehr guten Wärmeschutz (k-Werte unter 0,15 W/(m2K))
-
Vermeidung von Wärmebrücken -
hoher Luftdichtheit (n50 Werte unter 0,6 h-1) -
Superfenstern (Fenster-k-Werte unter 0,8 W1(m2K) bei Gesamtenergiedurchlaßgraden
über 50%) -
Einer Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung aus der
Abluft (einschließlich Erdreichvorerwärmung und Latentwärmerückgewinnung) Eine genaue Darstellung der Grundlagen für die Gestaltung von Passivhäusern findet sich in der Literatur (FEIST 1996A).{ 2006: dieses Buch hat inzwischen eine zweite Auflage. Literatur ist auch unter www.passiv.de zu finden. } 4. Erfahrungen mit dem Passivhaus-Forschungsgebäude in Darmstadt Das Projekt Passivhaus wurde im Mai 1988 bei einem Forschungsaufenthalt des Autors an der Universität Lund zusammen mit dem Gastgeber Prof. Bo Adamson (Fachgebiet Baukonstruktionslehre) definiert. Zur Vorbereitung des Baus der ersten Passivhäuser in Hessen wurde eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe gegründet, die vom Institut Wohnen und Umwelt (IWU) geleitet und von der Hessischen Landesregierung finanziert wurde; die Arbeitsgruppe mit 21 Mitgliedern begleitete acht bauvorbereitende Forschungsprojekte, in denen die entscheidende Entwicklung für die innovativen Komponenten von Passivhäusern stattfand. Diese Forschungsprojekte sind abgeschlossen; die Ergebnisse flossen unmittelbar in den Bau des ersten Passivhauses in Darmstadt-Kranichstein ein. Weiterentwicklung einzelner Baukomponenten Eine private Bauherrengemeinschaft beauftragte die Architekten Prof. Bott/Ridder/Westermeyer mit der Planung eines Vierfamilienhauses mit reihenhausähnlich angeordneten Wohnungen, das den Kriterien der Passivhausbauweise genügen sollte. Für das Passivhaus wurden eine Reihe von Baukomponenten weiterentwickelt, deren Vorläufer sich bereits in Niedrigenergiehäusern bewährt haben. Diese Komponenten sind jeweils für sich auch für den Einsatz in künftigen Niedrigenergiehäusern interessant und erlauben so eine hohe Energieeinsparung in der Breite. Erst die Kombination aller Maßnahmen führt dazu, die ehrgeizige Zielsetzung eines nahezu verschwindenden Heizenergiebedarfs zu erreichen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt beim Passivhaus bei der Wärmebewahrung: Wärmeschutz und Wärmerückgewinnung sind die Komponenten mit den entscheidenden Beiträgen zur Zielsetzung. Darüber hinaus werden Sonnenkollektoren für die Warmwasserbereitung und ein Erdreichwärmetauscher (sehr kostengünstige jahreszeitliche Wärmespeicherung) für die Vorerwärmung der Frischluft eingesetzt. Guter Wärmeschutz Das Haus hat einen extrem guten Wärmeschutz (vgl. unten aufgeführte Tabelle). Die Wärmeversorgung erfolgt über Warmwasser-Vakuum-Flachkollektoren, die Nachheizung über eine Erdgas-Brennwerttherme. Die Mehrkosten gegenüber einem konventionellen Gebäude wurden vom Hessischen Umweltministerium zu 50% gefördert. Geringe Belastung durch Baustoffe Das Gebäude mit vier reihenhausähnlich angeordneten Wohnungen wurde im Oktober 1991 fertiggestellt und ist seither von vier Familien bewohnt. Die verwendeten Bau- und Dämmstoffe eignen sich für einen breiten Einsatz im Wohnungsbau, insbesondere für Niedrigenergiehäuser. Bei den im Innenraum verwendeten Baustoffen wurde auf möglichst geringe Belastung der Innenluft geachtet. Die Dämmstoffe sind (wie es bei einer bauphysikalisch guten Ausführung sein muß) vom Innenraum luftdicht abgeschlossen (Außenwandaußendämmung durch durchgehenden Innenputz; Dachdämmung durch lückenlose PE-Dampfbremse).
Für gleichbleibend ausreichende Frischluftzufuhr sorgt eine kontinuierlich betriebene wohnungsweise Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. In der Grundstufe werden je Wohnung 100 m3/h Frischluft den Wohn- und Schlafräumen zugeführt. In der starken Stufe sind es 160 bis 185 m3/h. Abluft in entsprechender Menge wird aus den Feuchträumen (Küche, WC und Bädern) abgesaugt. Die Zielsetzung des Forschungsprojektes im Passivhaus war es vor allem zu überprüfen, wie weit der Energieverbrauch in Wohngebäuden durch ausschließlich passive Maßnahmen gesenkt werden kann. Nach
der Auswertung von vier Meßjahren (Meßdaten von Oktober 1991 bis September
1995) erfüllt das Haus die Erwartungen in Bezug auf die Energieeffizienz.
Gegenüber dem Durchschnitt deutscher Wohngebäude ist der gemessene
Heizenergieverbrauch mit um 10 kWh/(m2a) auf ungefähr ein
Zwanzigstel gesenkt.
Tabelle: Konstruktionsmerkmale des Passivhaushauses Darmstadt Kranichstein
In
der Summe betrug der gemessene Gesamtenergiekennwert (Haushaltsstrom,
Gemeinschaftsstrom, Kochgas, Lüftung, Warmwasser und Heizung) im Passivhaus
im ersten Meßzyklus 43,3 kWh/(m2a), im zweiten bis vierten
Meßzyklus unter 33 kWh/(m2a) Auf den ersten Blick mag überraschen, daß derart geringe Verbrauchswerte allein auf dem beschriebenen einfachen Weg von extrem verbessertem Wärmeschutz und optimierter passiv solarer Nutzung möglich sind. Entscheidend ist eben, daß die erforderlichen baulichen und haustechnischen Qualitäten in der Praxis wirklich erreicht werden. Dies setzt gewissenhafte Planung und sorgfältige Bauausführung voraus.{ 2006: das kann aus heutiger Sicht unterstrichen werden. } Erfahrungen Die Erfahrungen mit dem Demonstrationsgebäude in Darmstadt können wie folgt zusammengefaßt werden: - Die eingesetzten Techniken haben sich bewährt, insbesondere die extrem gute Wärmedämmung von Wand, Dach und Kellerdecke, die Dreifachwärme-Schutzverglasung und die Lüftungswärmerückgewinnung. - Die vier Familien fühlen sich im Passivhaus ausgesprochen wohl (Rohrmann 1994). Die größte Überraschung für die Bewohner war, daß das Leben im Passivhaus völlig normal ist.{ 2006: Inzwischen wurden zahlreiche systematische sozialwissenschaftliche Untersuchungen in Passivhaussiedlungen und Passivhaus-Geschosswohnungsbauten durchgeführt. Die thermische Behaglichkeit ist signifikant besser als in Vergleichshäusern. } - Der gute Wärmeschutz im Passivhaus ist verbunden mit:
4. Kostengünstige Passivhäuser Der
nächste Schritt wird die Entwicklung und der Bau von kostengünstigen
Passivhäusern sein. Bereits 1996 sollen erste Passivhäuser der zweiten
Generation mit Unterstützung des Hessischen Umweltministeriums gebaut
werden. Für diese Häuser werden vorgefertigte Bauprodukte weiterentwickelt. Weiterentwicklung der Bauprodukte - hochgedämmte wärmebrückenfreie Hüllflächen unterschiedlicher Bauweise, aber generell mit k-Werten unter 0,15 W/(m2K):{U-Werte} - Wärmedämmverbundsysteme mit großformatigen, paßgenauen Dämmblocks, - Holztafelelemente mit ultraleichten Doppel-T-Trägern, - PU-Fertigbauteile, - hochgedämmte Styropor-Betonschalungssteine. - Weiter verbesserte Superverglasungen mit noch geringeren Wärmeverlusten, aber hohem Gesamtenergiedurchlaßgrad. - Fensterrahmen aus statisch verstärkten PU-Integralschaumteilen mit k-Werten unter 0,7 W/(m2K) - Kompakt-Haustechniksysteme mit Gegenstromwärmetauscher für die Lüftung, Warmwasserbereitungssystem und einfacher, kostengünstiger Notheizung. { 2006: Alle diese Produkte gibt es heute - und noch weit mehr. Man findet sie z.B. unter www.passiv.de , dort die Kategorie "zertifizierte Produkte" anklicken. Das Passivhaus hat zu einer Innovationswelle insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben geführt. Der Innovationsprozess hält nach wie vor an. } Ein Arbeitskreis "Kostengünstige Passivhäuser" bringt unter der Trägerschaft des Hessischen Umweltministeriums, der Stadtwerke Hannover AG und der Preußen Elektra AG diese Entwicklungen voran und begleitet die Planung und Realisierung der Häuser an vier Standorten (Hannover, Geisenheim, Neukirchen und Naumburg). { 2006: Dieser Arbeitskreis hat inzwischen 33 Protokollbände herausgebracht. Es wurden systematisch die Brennpunkte der Entwicklung zur Energieeffizienz in Gebäuden behandelt und strittige Themen geklärt. Genaueres unter www.passiv.de , dort "Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser" anklicken. Viele Informationen sind in Kurzfassungen aufbereitet im Internet bereitgestellt worden. Die Protokollbände sind über das Passivhaus Institut zu erhalten. } Bereits Anbieter auf dem Markt Die Möglichkeit, kostengünstige Passivhäuser in breitem Umfang zu errichten, eröffnet sich derzeit. Bereits heute gibt es einige Anbieter am Markt, die Niedrigenergiehäuser (Heizwärmebedarf < 70 kWh/(m2a)) kostengleich mit normalem Wohnungsbau anbieten (VEBA Bauen&Wohnen, Rasch&Partner, Architekturbüro EFEM Hans Eek, Architekt Johannes Brucker/Stuttgart). Einige dieser Häuser reichen baulich bereits nah an den Passivhaus-Standard heran; erreicht haben ihn bereits die Planungen des Architekturbüros für ökologischen Städtebau und energieeffiziente Planungen R. u. H. Rudolf (RUDOLF 1994) und die Reihenhäuser von Rasch&Partner (RASCH 1995). { 2006 Alle genannten Planer sind dem Passivhaus treu geblieben. Inzwischen sind es aber Hunderte Architekturbüros, die sich auf den Bau von Passivhäusern verstehen. Genaueres unter www.ig-passivhaus.de } Passivhaus kann Standard werden Die zusätzlich erforderliche bessere Dämmung erzeugt bei der gewählten Vorfertigung nur sehr geringe bzw. keine Zusatzkosten. Mehrkosten entstehen durch die notwendige, wesentlich verbesserte Fensterqualität. Für die entscheidenden Komponenten - Verglasung und Rahmen - gibt es inzwischen hochwertige industriell gefertigte Produkte, die die Fenster-Mehrkosten auf einen vertretbaren Betrag begrenzen. Unverzichtbar ist die hocheffiziente Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Erdreichwärmetauscher. { 2006: Zur Wirtschaftlichkeit vergleiche Dämmung-Wirtschaftlichkeit - geändert haben sich vor allem die Randbedingungen, weil Energie inzwischen nahezu den realen Grenzkostenpreis erreicht hat. Mit diesem Ölpreis, der maßgeblich ist für die Nutzungsdauer eines heute gebauten Hauses, hätte man eigentlich schon immer rechnen müssen. Es ist aber auch heute immer noch schwierig, den langfristigen Grenzkostenpreis zu bestimmen. Vgl. Energiepreis. } Der entscheidende Punkt ist nun: Wird die wärmetechnische Verbesserung bis zur Qualität des Passivhaus-Standards gebracht, so kann nach den vorliegenden Erfahrungen auf ein separates Heizsystem vollständig verzichtet werden. Die Werte für die Restwärmelast sind nämlich dauerhaft so gering, daß die Wärme hygienisch einwandfrei, ohne Luftmengenerhöhung und ohne zusätzliche Kanäle über die Zuluft zugeführt werden kann. Die Einsparung des Heizsystems verringert die Kosten beträchtlich, das Lüftungszusatzgerät bedingt demgegenüber kaum zusätzliche Kosten. Insgesamt kann ein Passivhaus dieser Qualität in absehbarer Zukunft praktisch baukostengleich zum gewöhnlichen Standard errichtet werden: Bauliche und lüftungstechnische Mehrkosten können durch die Kostenersparnis beim Heizsystem in etwa ausgeglichen werden. { 2006: Die dafür erforderlichen Komponenten sind heute am Markt erhältlich. Es ist nicht sinnvoll, auf einem höheren Energieverbrauchsstandard hängen zu bleiben - das Passivhaus ist wirtschaftlicher. } 6. Null-Heizenergie-Häuser Das Passivhaus kann durch zusätzliche Maßnahmen zu einem "Nullheizenergiehaus" weiterentwickelt werden: Ein Nullheizenergiehaus ist ein Gebäude, dessen Jahresheizwärmebedarf in einem durchschnittlichen Jahr definitionsgemäß 0 ist. In einem solchen Haus darf daher auch am kältesten Tag kein Bedarf an Notheizung anfallen. Weiterentwicklung mit erhöhtem Aufwand verbunden Erfahrungsgemäß wird die fortgesetzte Energieeinsparung mit zunehmend verbesserten Standards immer aufwendiger. So ist es vergleichsweise einfach, ausgehend von einem gewöhnlichen Neubau (125 kWh/(m2a) den Niedrigenergiestandard mit 70 kWh/(m2a) zu erreichen. Die Einsparung der nächsten 55 kWh/(m2a) zum Passivhaus fällt schon schwerer, ist aber gleichfalls noch mit traditionellen Mitteln möglich. Die letzten 15 kWh/(m2a) erfordern jedoch einiges an Aufwand, der derzeit wohl wirtschaftlich noch nicht zu vertreten ist: Weitere Investitionen lassen sich nämlich nicht mehr einsparen, weil schon beim Passivhaus der Verzicht auf das Heizsystem ohne weiteres möglich ist. { 2006: Das gilt heute unverändert weiter, auch bei den sehr viel höheren Energiepreisen. } Im Passivhaus Darmstadt-Kranichstein wurde dennoch erstmals demonstriert, daß auch das Nullheizenergiehaus mit noch vertretbarem Mehraufwand allein durch weitere passive Maßnahmen bereits heute erreichbar ist. 1994 wurden in einer der vier Wohneinheiten des Hauses zusätzlich Dämmschiebeläden eingebaut, die im Winter nachts geschlossen werden und den Fenster-k-Wert dann auf unter 0,3 W/(m2K) reduzieren.
Auch das Notheizsystem konnte nach dieser zusätzlichen Reduzierung der Wämeverluste vollständig abgeschaltet werden: Das Haus "heizt" sich allein durch die passive Solarenergienutzung und die ohnehin vorhandenen (spärlichen) inneren Wärmequellen (FEIST 1995).
Mit fortschreitender Weiterentwicklung der Passivhauskomponenten wird es in Zukunft immer leichter fallen, Nullheizenergiehäuser zu bauen. Diese Entwicklung kann sich zwanglos an den Passivhausstandard anschließen. Freilich kann man sich fragen, ob die weitere Reduzierung von praktisch bedeutungslosen 15 kWh/(m2a) auf "exakt" Null eine ökonomische oder ökologische Bedeutung hat. ( 2006: Daran hat sich auch heute nichts geändert. Zumal: Den Stromanschluss braucht das Haus weiterhin, denn auf Kühlschrank, Wasch- und Spülmaschine und das Internet (!) will niemand verzichten. } 7. Energieautarke Häuser - vollständige Null-Energie-Häuser Noch schärfer stellt sich die ökonomische Frage für den strengsten aller hier behandelten Standards, für das "Energieautarke Haus". Auch Restenergie aus regenerativen Quellen Ein Energieautarkes Haus bedarf keinerlei Endenergielieferungen von außerhalb des Grundstücks - bis auf die ohnehin einfallenden natürlicher Energieströme (Sonnenstrahlung, Wind, gegebenenfalls Grundwasser). Die Energieautarkie bezieht sich hier nicht nur auf die Heizwärme, sondern auf alle Energieanwendungen im Gebäude: Auch die Warmwasserversorgung, die Ventilation und der Haushaltsstromverbrauch müssen daher autark sichergestellt werden. Es gibt keine Netzanschlüsse und keine Brennstofflieferungen. Daß ein solches Gebäude technisch heute realisierbar ist, wurde mit dem Energieautarken Solarhaus des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg bewiesen (STAHL, VOSS 1992). Dieses Haus gewinnt die thermische Restenergie für die Warmwasserbereitung aus Sonnenkollektoren, den Strom aus einer Photovoltaikanlage sowie im Winter über Brennstoffzellen, die im Sommer elektrolytisch erzeugten und auf dem Grundstück gespeicherten Wasserstoff verbrennen. ( Zur Illustration ein Bild dieses Hauses:
Stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung? Auch wenn - wie das Beispiel zeigt - Energieautarke Häuser heute technisch realisierbar sind, so muß doch bezweifelt werden, ob sie in absehbarer Zeit relevant werden können für die Praxis: Wie auch immer die vollständig regenerative Versorgung vom eigenen Grundstück gestaltet werden soll - sie setzt eine Überdimensionierung der Energiegewinnung und eine saisonale Speicherung voraus. Beides ist nicht nur im ökonomischen Sinn unwirtschaftlich, sondern auch ökologisch zweifelhaft, da für alle Zusatzsysteme zunächst eine nicht unbedeutende energetische Investition erforderlich ist. Dies gilt so lange, wie es für ein Gebäude die Möglichkeit gibt, sich mit vertretbarem Aufwand an ein Energienetz (z.B. Strom) anzuschließen. Das Netz kann nämlich zahlreiche Aufgaben problemlos und kostengünstig übernehmen, die autark auf dem Grundstück nur mit unvertretbarem Aufwand zu leisten sind: - das Netz gleicht Schwankungen der Energienachfrage durch statistische Verteilung der Verbraucher aus; - das Netz kann Überangebote aufnehmen und an andere Verbraucher oder Speicher mit häufigeren Zyklen weiterleiten; - am Netz können regenerative Stromerzeuger in ökonomisch sinnvollen Einheiten (z.B. 1 MW Windkraftanlagen, Biomasse-Blockheizkraftwerke) betrieben werden; - die jahreszeitliche Speicherung ist, wenn überhaupt, in großen Speichereinheiten wirtschaftlicher als in kleinen für Einzelhäuser. Es
scheint daher auch in fernerer Zukunft sinnvoller, Häuser nicht autark
zu betreiben, sondern netzgekoppelt und gegebenenfalls so, daß überschüssig
erzeugte regenerative Energie ins Netz eingespeist wird. Koppelung ist sinnvoll Es
bleibt allerdings festzustellen daß mit dem Standard des Passivhauses
so extrem geringe Gesamtverbrauchswerte erreicht werden, daß eine
regenerative Energieversorgung technisch möglich und (netzgekoppelt)
ökonomisch nicht völlig unakzeptabel wird. Die
Voraussetzung für die Versorgung mit regenerativ erzeugter Energie
ist also eine sehr hohe Energieeffizienz. Weil diese auch beim Passivhaus
in Bezug auf den Stromverbrauch immer noch weiter verbesserbar ist,
steigen die Chancen für erneuerbare Energien künftig immer mehr. Wenn
in einem guten Passivhaus am Ende gerade noch 2000 kWh Strom im Jahr
verbraucht wird, so wäre es als einzige Energiekostenbelastung eines
Haushaltes sogar ökonomisch vertretbar, wenn künftiger Photovoltaikstrom
für 1 DM/kWh bezogen würde. 8. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Niedrigenergiehäuser werden bereits in wenigen Jahren der allgemein eingeführte Mindeststandard bei Neubauten in Deutschland werden. Für ihre breite Einführung kommt es heute vor allem auf Weiterbildungsangebote für alle Baubeteiligten an. Das Passivhaus ist ein extremes Niedrigenergiehaus, bei welchem durch guten Wärmeschutz gerade die Schwelle unterschritten wird, bei der kein separates Heizwärmeverteilsystem mehr benötigt wird (15 kWh/(m2a)). Passivhäuser werden schon in den nächsten Jahren einen zunehmenden Anteil an den Neubauten haben. ( 2006: Das ist so eingetreten. } Nullheizenergiehäuser führen gegenüber dem Passivhaus zu spürbar höherem baulichen Aufwand, ohne die Umwelt bedeutend mehr zu entlasten. In Zukunft könnte sich der Aufwand jedoch durch Fortschritte vor allem bei den Fenstern reduzieren. Energieautarke Häuser werden jedoch auch in absehbarer Zukunft keinen erkennbaren Umweltvorteil gegenüber Konzepten aufweisen, die einen geringen Restverbrauch noch aus dem bestehenden Netz beziehen und etwa erzeugte regenerative Energie in das Netz einspeisen. Die Chancen für regenerative Energieträger steigen im übrigen, je besser die Energieeffizienz der Nutzungssysteme und Gebäude ist. Literaturverzeichnis
ELMROTH,
A.; LEVIN, P.: Air Infiltration Control in Housing - A Guide to International
Practice; Swedish Council for Building Research, Stockholm D2:1983
FEIST, Wolfgang: Forschungs- und Demonstrationsgebäude Niedrigenergiehaus Schrecksbach; Institut Wohnen und Umwelt, 1988 FEIST, Wolfgang: Forschungsprojekt Passive Häuser; Institut Wohnen und Umwelt,1. Auflage 1989, 2. Auflage 1994 FEIST, Wolfgang; WERNER, Johannes: Gesamtenergiekennwert < 32 kWh/(m2a); Baubl, Februar 1994, S.106-11O FEIST, Wolfgang: Erfahrungen mit Häusern ohne aktives Heizsystem; in: IBK, Jubiläumstagung 200, "Stahlbeton" ohne Stahl? Wärmedämmung "statt" Heizung?; Darmstadt 1995 FEIST, Wolfgang: Grundlagen der Gestaltung von Passivhäusern; Verlag Das Beispiel, Darmstadt,1996a FEIST, Wolfgang (Hg.): Das Niedrigenergiehaus; Karlsruhe, 4. Auflage 1996b [Feist 1997] FEIST, Wolfgang: Messergebnisse zur Nutzerstreuung des Energieverbrauchs bei ausgewählten Bauprojekten; in: Protokollband Nr. 9 des Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Darmstadt, PHI, 1. Auflage, November 1997 FINGERLING, Anne: Eine neue Fenstergeneration; glas+rahmen 18/1995, S. 970-972 HESSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT, Energie und Bundesangelegenheiten; Institut Wohnen und Umwelt: Passivhaus Darmstadt Kranichstein; Dokumentation, Wiesbaden, 1. Auflage 2/91; 3. Auflage 10/93 HÖRSTER, H. (Hg.): Wege zum energiesparenden Wohnhaus, Hamburg 1980 KORSGAARD, V.; BYBERG, M.R.; ESBENSEN, T.V.; BILDE, K.; HARBOE, K.P.; HELWEG-LARSEN, K.; NYGAARD, I.; KJERULF-JENSEN, P.: DTH-Nul-Energihus; Danmarks Tekniske HOjskole 1976 LOGA, Tobias: BHKW für Niedrigenergiehäuser - das Beispiel Niedernhausen; Institut Wohnen und Umwelt, 1996 RASCH & PARTNER: Ökologischer "Weitblick" am Rheinhöhenweg; Rasch & Partner, Steubenplatz 12, Darmstadt, 1995 ROHRMANN, Bernd: Sozialwissenschaftliche Evaluation des Passivhauses in Darmstadt; Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt 1994 RUDOLF, H.; RUDOLF, R.: Haus ohne Heizung. Deutsche Bauzeitung (db) 128 (1994) Nr.12, S. 122-126 SHURCLIFF,
William A.: Super Insulated Houses and Double Envelope Houses; Andover,
Massachusetts,1981 STAHL, Wilhelm; VOSS, Karlo: Das Energieautarke Solarhaus; Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg 1992 |
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Link zur Homepage der Passivhaustagung: Passiv Haus Konferenz. Link
zur Homepage des Passivhaus Institutes:: Link zur IG-Passivhaus, der Informationsgemeinschaft:
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(aktualisiert
12.06.2007 Autor: Dr. Wolfgang Feist |