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Sommerklima im Passivhaus - eine entscheidende Fragestellung Immer noch wird in der öffentlichen Debatte um energiesparende Gebäude die Frage nach einer möglichen sommerlichen Überhitzung "wegen der guten Wärmedämmung" gestellt 1). Praxiserfahrungen mit realisierten Passivhäusern zeigen klar, dass diese Häuser auch in Hitzeperioden ein gutes (kühles) Innenklima aufweisen. Allerdings ist dazu eine fachgerechte Planung unverzichtbar. Dieser Beitrag behandelt die wesentlichen Gesichtspunkte für ein typisches Klima in Mitteleuropa - dort ist keine aktive Klimatisierung in Wohngebäuden erforderlich.
Die vier Reihenhäuser des ersten Passivhauses
in Kranichstein sind exakt nach Süden orientiert und vollständig in
schwerer Bauweise errichtet (Foto im Titel rechts). Sie haben leicht
bedienbare temporäre Verschattungselemente (motorisch bewegte Außenstores)
und die Möglichkeit zur ausgiebigen Nachtlüftung im Sommer; außerdem
sind infolge des Stromsparkonzeptes die inneren Wärmequellen gering.
Dies sind günstige Voraussetzungen für ein kühles Innenklima im Sommer.
Wie sich Passivhäuser in anderer Bauweise und mit abweichenden Orientierungen
in Abhängigkeit von Verschattung und Lüftung im Sommer verhalten,
kann allgemein mit Hilfe der thermischen Gebäudesimulation behandelt
werden. Dies wurde erstmals
durch die 1998 fertiggestellte "Passivhaus
Sommerklima Studie" systematisch untersucht [Feist
1998a]. Die Studie entstand als Verbund-Forschungsprojekt im Auftrag
von: G&H Ladenburg, ISORAST GmbH Taunusstein, Nordhessische Kalksandsteinwerke
GmbH&Co; Rasch&Partner GmbH Darmstadt; Schwenk Dämmtechnik
GmbH Landsberg und VEGLA GmbH Aachen. Den Auftraggebern sei an dieser
Stelle ausdrücklich gedankt. Inzwischen In diesem Aufsatz werden einige Teile
der Studie zusammengefasst und mit heutigen Messergebnissen untermauert. Für die Simulation des wärmetechnischen Verhaltens wurde das instationäre Simulationsprogramm DYNBIL verwendet. Das Programm und seine Methoden wurden in [Feist 1994] systematisch überprüft. Damit liegt ein validiertes Simulationsmodell vor, mit welchem mit hoher Zuverlässigkeit Aussagen über die Temperaturverläufe im Passivhaus gemacht werden können. (Link zu weiteren Informationen über DYNBIL). Als Klimadatensatz wurde in dieser Studie das DYNBIL-Klimajahr Frankfurt/M verwendet, das auf den Testreferenzjahren beruht, aber einen korrigierten Datensatz für die atmosphärische Gegenstrahlung verwendet. Die Pläne des bewohnten Passivhauses Darmstadt-Kranichstein
sind Grundlage der Untersuchungen. Für die Optimierungsarbeiten wurden
die Pläne eines Reihenmittelhauses auf ein einfacheres Basismodell
reduziert. Das Basismodell ist übersichtlich genug, gibt aber die
Zonierung des Hauses wieder und erlaubt die Veränderung der wesentlichen
Modelleigenschaften auf einfache Art. Dieses Modell mit sieben Zonen
wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben ([Feist 1993],
vgl. auch Abb. 2): Zone
-I Erdreichtemperatur
1 m unter der Bodenplatte Zone 0 Außenluft Zone I Keller Zone
II Erdgeschoss (EG) vorne
: Wohnen Zone III Erdgeschoss (EG) hinten : Küche und Eingangsbereich Zone
IV Obergeschoss
(OG) vorne : Kinder Zone
V Obergeschoss (OG)
hinten : Schlafen Zone
VI Dachgeschoss
(DG) :
Gäste/Arbeit Zone VII Kernbereich
: Bäder
und Treppenhaus Die Modellparameter sind in der Studie
im Detail dokumentiert [Feist 1998a]; Tab. 1 gibt einen Überblick
über einige wesentliche Parameter dieses Basisfalles.
Bewertung nach operativen Temperaturen Auch für die Bewertung der Behaglichkeit
im Sommer ist die operative Temperatur der entscheidende Maßstab;
darüberhinaus spielen Luftfeuchtigkeit (Schwülegrenze!) und Luftgeschwindigkeit
eine wichtige Rolle. Da hier vor allem das mitteleuropäische Klima
behandelt wird, hat sich die Studie zunächst auf die operativen Temperaturen
konzentriert [Kirtschig 1998]. An anderer Stelle wurde gezeigt, dass
auch noch in feucht-heißen Klimaten eine Verallgemeinerung dieses Konzeptes mit der "Effektiven Standard Temperatur"
– (SET) – möglich ist [Wang
1996].
Abb. 4
zeigt die Tagesmittelwerte der Raumlufttemperaturen
im Jahresgang für den Referenzfall „Passivhaus Darmstadt-Kranichstein
- ohne Verschattung, ohne Fensterlüftung“. Für den Betrieb der
Lüftungsanlage wurde dabei angenommen, dass ·
die Wärmerückgewinnung
(80%) nur im Winter in Betrieb ist, ·
im Sommer (genauer:
vom 15. April bis 30.September) die Lüftungsanlage als reine
Abluft mit einem Wechsel von 0.475 h-1
betrieben wird. Ab etwa 10. Juli werden in allen Räumen
Temperaturen von 25°C oder mehr erreicht, in der Hitzeperiode zwischen
30. August und 8. September des Testreferenzjahres steigen die Werte
sogar auf bis 30°C an. Bis auf die wenigen Tage in dieser Hitzeperiode
ist das Innenklima im Passivhaus dennoch auch im Sommer behaglich.
Später werden jedoch noch weitere Fälle behandelt, die durch erhöhte
Lüftung zu weit günstigerem Innenklima führen.
Abb. 6 zeigt die Raumlufttemperaturen des Referenzfalles als geordnete
Jahresdauerlinie; sie ist wie folgt zu verstehen: Die Temperatur 25°C
wird in Zone VI (OG Süd) des Hauses 7816 h des Jahres unterschritten.
Nur in einem Zeitraum von 943 h ist die Temperatur höher. Das
entspricht einer Häufigkeit h der Temperaturüberschreitung von hθ>25°C = 10.77%.
Diese Überschreitungshäufigkeit erlaubt eine gute Charakterisierung
des sommerlichen Klimas in Gebäuden. Nach vorausgehenden Arbeiten
wird das Sommerklima in Wohngebäuden noch für gut angesehen, wenn
hθ>25°C kleiner oder gleich 10% des Jahres bleibt [Kolmetz 1996]. Dieser Wert wird im hier behandelten Referenzfall nur um
weniger als 1% überschritten.
Alle Daten des in Kapitel 3 behandelten
Referenzfalls bleiben unverändert, bis auf einen Nutzereingriff: -
werden Temperaturen von 21°C im Haus überschritten und ist
die Außentemperatur niedriger als die Innentemperatur, so wird je
Raum ein Fenster auf „Kippen“ gestellt. Die Fensterkippstellung führt zu einem
erheblich höheren mittleren Luftwechsel. Abb. 7
zeigt, dass dadurch die Temperaturen im Haus während des Sommers spürbar
absinken, und zwar auf dauerhaft komfortable Werte. Auch in der kritischen Hitzeperiode ist trotz fehlender temporärer Verschattung in dieser Betriebsweise ein sehr gutes Innenklima im Passivhaus erkennbar (Abb. 8). Die Jahresdauerlinie (Abb. 9) zeigt, dass die Übertemperaturhäufigkeit sehr gering wird: hθ>25°C = 0.68% (entsprechend 60 h). Der hier behandelte Fall entspricht (bis
auf den Unterschied Endhaus/Mittelhaus) in etwa der in den Jahren
1991 bis 1993 vorliegenden wirklichen Situation in der westlichen
Endhauseinheit des bewohnten Passivhauses Darmstadt-Kranichstein -
es gab dort keine Verschattungsmöglichkeit
2), aber es konnte durch Kippen der Fenster gelüftet
werden. Von Bewohnern und Besuchern war regelmäßig mit Verwunderung
festgestellt worden, dass das Haus auch in sommerlichen Hitzeperioden
wohltuend kühl blieb. Abb. 1 zeigt Temperaturmesswerte aus allen drei
Geschossen, die sogar noch etwas günstiger liegen im Vergleich
zur Simulation aus Abb. 8. Das liegt vor allem daran, dass die Fenster
in den frühen Morgenstunden eine zeitlang in Drehstellung vollständig
geöffnet werden können. Der Sommer 1993 war im Vergleich
zum langjährigen Mittel besonders heiß.
In Abb. 10 ist dargestellt, wie sich die Übertemperaturhäufigkeit entwickelt, wenn der Luftwechsel mit einer kontrollierten Lüftungsanlage allmählich erhöht wird. Läuft die Wärmerückgewinnung auch im Sommer, wobei ein energieäquivalenter Luftwechselraten um 0.1 h-1 resultieren würde , so würden extrem hohe Temperaturen und Übertemperaturhäufigkeiten von über 35% erreicht. Diese Betriebsart ist somit in jedem Fall auszuschließen: Lüftungsgeräte müssen einen Sommerbetrieb ohne Wärmerückgewinnung erlauben: So ist das auch als Zertifizierungskritreium für Passivhaus geeignete Lüftungsanlagen vorgegeben - dies kann durch einen Bypass oder durch eine Sommerkasette oder durch den ausschließlichen Betrieb nur des Abluftventilators erfolgen. Bei reiner Abluft (entspr. 0.475 h-1) liest man 10.77% ab (siehe Referenzfall). Annähernd entlang einer mit n-1 verlaufenden Funktion nimmt die Überhitzungshäufigkeit ab, wenn der permanante Luftwechsel weiter erhöht wird. Zu bedenken ist allerdings, dass für einen 0.7 h-1 maschinellen Sommerluftwechsel bereits ein gewisser zusätzlicher Ventilatorstromverbrauch entsteht. Dennoch ist dies eine Möglichkeit für solche Gebäude, bei denen ein Öfnen von Fenster z.B. aus Schallschutzgründen nicht möglich ist. Besser ist es, wie schon im oben behandelten
Fall mit gekippten Fenstern, im Sommer auf natürliche Lüftung zu setzen.
Aus Abb. 10 kann entnommen
werden, dass der oben behandelte Fall mit im Bedarf gekippten Fenstern
einem dauernden Luftwechsel mit reiner Abluft von etwa 1.4 h-1
entspricht. Würde dieser Abluftvolumenstrom
mit einer effizienten Anlage maschinell erzeugt, so würde der Ventilatorstromverbrauch
im Sommer etwa 560 kWh erreichen - durch Fensterlüftung
geht es ohne zusätzliche Betriebskosten.
5 Der Einfluss von Fenstergröße und Verglasungsqualität Der Verglasungsflächenanteil im bestehenden
Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein beträgt 35% der Südfassade. Verwendet
wurden Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen der ersten Generation
(mit 3-WSK bezeichnet), die einen U-Wert von etwa 0.71 W/(m²K) und
einen g-Wert von 49.5% aufweisen. Abb.
11 zeigt, wie sich die
thermische Behaglichkeit im Sommer entwickelt, wenn Fenstertyp und
Fenstergröße verändert werden.
Die Ergebnisse für das Sommerklima sind
anhand der Überhitzungshäufigkeiten hJ>25°C dargestellt: - Unabhängig von der Verglasung
wird die Temperatur 25°C bei Verglasungsflächenanteilen kleiner 14%
in Südrichtung auch im Sommer überhaupt nicht erreicht. Bei kleineren
Fenstern besteht somit keinerlei sommerliches
Überhitzungsproblem in Passivhäusern. Allerdings werden die
Heizwärmekennwerte von 15 kWh/(m²a) bei derart kleinen Südfenstern
nur knapp unterschritten. Auch aus Gründen der Tageslichtnutzung sind
größere Fenster empfehlenswert (vgl. den Beitrag von Ursula Schneider
zur 10. Passivhaustagung [Schneider 2006]). -
Mit größer werdender
Südfensterfläche steigt der Häufigkeitswert der Überschreitung von
25°C bei den Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen an: Bis zu Verglasungsflächenanteilen
in der Südfassade: ·
etwa 30% bei "3-WSK" ·
etwa 25% bei "3-Magnetron"
(Weißglas) können auch ohne temporären Sonnenschutz im Passivhaus noch
gute Werte erreicht werden. Hingegen gibt es bei Verglasungsflächenanteilen ·
über 42% bei "3-WSK" ·
über 35% bei "3-Magnetron"
(Weißglas) im hier behandelten Basisfall derart hohe Solarenergieeinträge
im Sommer, dass zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Diese
werden später behandelt. Interessant ist, dass die Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung
"2 WSA" und die Verglasung "3-Magnetron"
bei normalen Fenstergrößen praktisch zu den gleichen Sommerklimabedingungen
führen: die g-Werte beider Verglasungen sind auch etwa gleich.
6
Der Einfluss der Orientierung Wie sich eine unterschiedliche Orientierung
der Hauptfassade auswirkt, zeigt Abb. 12. Dargestellt ist der Verlauf für die Dreischeibenwärmeschutzverglasung
"3-WSK". Es wurde eine Verglasungsfläche von 19.127 m² (entsprechend
34%, das ist die im Referenzgebäude vorhandene Größe) angenommen. Man erkennt, dass sich sowohl der Jahresheizwärmebedarf
(zwischen 10 und 12 kWh/(m²a)), als auch die sommerliche Überhitzungshäufigkeit
(15 bis 18%) nur wenig ändern, wenn von der idealen Südorientierung
um maximal ± 30° abgewichen wird. Dann allerdings steigen sowohl die
Überhitzungshäufigkeit als auch der Heizwärmebedarf spürbar an. Im
Bereich zwischen 60° und 90° Richtung gegen Süd werden maximale Werte
für die Überhitzungshäufigkeit mit um 20% erreicht. Bei 90°-Orientierung
(West oder Ost) ist übrigens auch der Jahresheizwärmebedarf bereits
bei um 16 kWh/(m²a) angelangt. Bei weiterem Herausdrehen aus
der Südrichtung ändert sich dieser nun kaum noch, d. h. für den Winterfall
ist eine Nordorientierung kaum ungünstiger als eine Ost- oder Westorientierung.
Anders im Sommerfall: bei Weiterdrehen Richtung Nord fallen die Überhitzungshäufigkeiten
steil ab. Zwischen ±45° gegenüber Nord sind
die Überhitzungsstunden mit nur 10% am kleinsten. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird
verständlich, warum Gebäude mit großen Verglasungsflächen vor allen
bei Orientierungen in Ost- oder Westrichtung Probleme bei der sommerlichen
Behaglichkeit haben. Eine genauere Analyse zeigt, dass bei sehr großen
verglasten Flächen das Maximum der Übertemperaturhäufigkeit jedoch
wieder bei der Südorientierung erreicht wird, weil es dann auch schon
in der Übergangsjahreszeit und im Winter zu Überhitzungen kommen kann. Hier gehen wir von einem Fall ohne jede feststehende Verschattungselemente
aus (das ist nicht der Referenzfall!). Für diesen Fall werden
nun allein der Balkon- und Dachüberstand vergrößert (gemessen wird
immer von der Verglasungsaußenoberfläche, jeweils mit Abstand 0.59
m über der Verglasungsoberkante, vgl. Abb.
13). Abb. 14 zeigt die Veränderungen für diese Fallstudie: · Der Jahresheizwärmebedarf
in einem Passivhaus ändert sich bis zu Überstandstiefen von etwa 1.25 m
praktisch nicht (das ist in Niedrigenergiehäusern noch anders). ·
Hingegen nimmt die Überhitzungshäufigkeit
im Sommer zwischen horizontalen Überständen von 0.5 m bis 1.5
m spürbar ab (von hθ>25°C
= 22% bis unter 7%).
Noch größere Überstände erhöhen den Jahresheizwärmebedarf dann
deutlich, bringen aber kaum noch eine Verbesserung beim Sommerklima. Hieraus können
unmittelbar praxisbezogene Empfehlungen gegeben werden: Die feststehenden
horizontalen Verschattungselemente über Fenstern wirken sich bei deutschem
Klima in südorientierten Passivhäusern
bis zu einem Überstand von ca. 1.25 m günstig auf das Sommerklima
aus, ohne den Heizwärmebedarf merklich zu erhöhen.
Abb.
15 zeigt, dass durch den
Einsatz eines außenliegenden Verschattungselementes die Temperaturen
im Passivhaus (Referenzfall) während des Sommers spürbar absinken.
Temperaturen über 25°C werden nun so gut wie gar nicht
erreicht ( hθ>25°C wird kleiner als 0.5%). Auch ein Rollo im Scheibenzwischenraum
wirkt sich ähnlich wie das außenliegende Rollo auf das Innenklima
aus, und selbst ein innenliegendes Rollo reduziert die sommerlichen
Temperaturen noch spürbar: hθ>25°C
sinkt auf 6.8% im Vergleich zu 10.8% im Referenzfall. Damit ist das
innenliegende Rollo zwar nicht annähernd so wirksam wie ein außenliegendes
und ein solches im Scheibenzwischenraum, aber es kann in Verbindung
mit z.B. einer verstärkten Sommerlüftung die Erwärmung lindern helfen. Nicht diskutiert wird an dieser Stelle
die Problematik einer möglichen unzulässigen Erwärmung der Verglasung
durch die Rückreflektion und den Wärmestau bei innenliegenden Rollos.
Vor dem praktischen Einsatz solcher Systeme muss diese Problematik
geklärt werden [Feist 1998b].
Für die Studie zum Sommerfall wurde in
den bisher behandelten Fällen mit einer mittleren inneren Last von
386.8 Watt gerechnet. Dies entspricht 2.48 Watt/m² und ist etwas
mehr, als die Standardannahme zu inneren Wärmequellen bei Berechnungen
mit dem Passivhaus Projektierungs Paket (für den Sommerfall liegt
man mit dem etwas höheren Ansatz auf der sicheren Seite; während der
Heizzeit muss jedoch zur Sicherheit mit dem kleineren Wert gerechnet
werden). Aber auch für die Behaglichkeit
im Sommer wirkt sich jede zusätzlich anfallende innere Wärmequelle
ausgesprochen ungünstig aus, wie ebenfalls aus Abb. 16
entnommen werden kann. Zunächst steigt die Überhitzungshäufigkeit
ebenfalls annähernd linear mit den inneren Wärmequellen an; eine Verdopplung
der Quellen entspricht dabei etwa 2.3fach mehr Übertemperaturstunden.
Bei über 5 W/m² hinausgehenden inneren Wärmequellen steigt die
Überhitzungshäufigkeit dann sogar überproportional. In dem oben genannten
Extremfall mit 3.5fach erhöhter Quellleistung von 8.7 W/m² würde in
diesem Gebäude die Übertemperaturhäufigkeit hθ>25°C mehr als 64% des Jahres erreichen. Das Sommerklima in einer
solchen Wohnung wäre unerträglich. Die Untersuchung zeigt, weshalb es
entscheidend ist, bei Passivhäusern nicht nur auf gute Dämmung und
Wärmerückgewinnung und damit niedrige Werte für den Jahresheizwärmebedarf
zu achten, sondern auch auf niedrige innere Wärmequellen, insbesondere
was elektrische Geräte und Abwärme aus Rohrleitungen, Warmwasserspeichern
etc. angeht. Hier ist eine besonders hohe Energieeffizienz gefragt,
die sich sowohl auf den Komfort im Sommer, als auch in Bezug auf den
Umweltschutz und zusätzlich auf den Geldbeutel positiv auswirkt. Effiziente
Stromnutzung ist eine Devise der Zeit!
Bei gleichen Grundrissen, gleicher Lüftungstechnik
und gleichen Fenstergrößen und Verglasungsqualitäten wie im gebauten
Passivhaus Darmstadt, jedoch ausschließlicher Verwendung von Holz-Leichtbauteilen
ergeben sich die in Abb. 17
gezeigten Tagesmitteltemperaturen im Jahresverlauf. Es betragen: ·
der Jahresheizwärmebedarf
12.8 kWh/(m²a) ·
die Überhitzungshäufigkeit
17.7%. Die Häufigkeit von Übertemperaturen nimmt
beim Leichtbau in signifikantem Ausmaß zu. Bedingt durch die geringere
thermische Trägheit des Gebäudes schwanken die Temperaturen deutlich
stärker als im Referenzfall. Insbesondere sind jetzt auch Raumlufttemperaturen
bis 25°C in den Monaten November bis Februar möglich. Die höchste
Tagesmitteltemperatur liegt mit 34°C am 4. September weit über dem
tolerierbaren Maß. Schon aus dieser ersten groben Analyse wird erkennbar,
dass für einen reinen Holzleichtbau in jedem Fall zusätzliche Maßnahmen
für die Schaffung eines akzeptablen Sommerklimas erforderlich werden
(Verschattung und/oder Zusatzlüftung).
Beides ist eine Folge der geringeren Speichermasse
des Gebäudes, wodurch sich die Zeitkonstante verringert. Bei der Bewertung
der Ergebnisse muss beachtet werden, dass in diesem Referenzfall ·
keine Fensterlüftung
und ·
eine nur sehr geringfügige
sommerliche Verschattung vorgenommen wird. Maßnahmen der einen
oder anderen Art sind für den hier behandelten Fall des Holzleichtbaus
aber unverzichtbar. Abb. 19
zeigt beispielhaft, dass sich durch eine erhöhte Sommerlüftung
durch gekippte Fenster auch in diesem Fall das Raumklima sehr stark
verbessern läßt. Die Übertemperaturhäufigkeit beträgt dann hθ>25°C = 3.9%.
Das ist immer noch bedeutend mehr als im vergleichbaren Fall für einen
Massivbau, aber bereits ein akzeptables Sommerklima. Der Unterschied
im instationären Verhalten wird deutlich, wenn die stündlichen Temperaturwerte
in der Hitzeperiode vom 30. August bis 6. September verglichen werden
(Abb. 19 im Vergleich zu Abb. 8). Die Endtemperaturen liegen
im Fall des Leichtbaus gut 2 K höher, die Temperaturamplituden
sind ebenfalls erhöht.
Die wesentliche Einflussgröße auf den
Jahresheizwärmebedarf, welche über das Erreichen des Passivhaus-Standards
(d. h. Unterschreiten der 15 kWh/(m²a)) entscheidet, ist der
Wärmeschutz der opaken Außenbauteile, insbesondere von Dach und Außenwand.
Vielfach ist die Vermutung geäußert worden, dass eine Erhöhung des
Wärmschutzniveaus zu verschärften Überhitzungsproblemen im Sommer
führen würde. Um den Einfluss der Dämmung auf das sommerliche Innenklima
zu untersuchen, wurden die Wärmedurchgangskoeffizienten von Dach und
Außenwand gemäß Tabelle 2 variiert. Abb. 20 zeigt, dass für den Referenzfall „Sommer reine Abluft“ die
Übertemperaturhäufigkeiten durch die Verbesserung der Wärmedämmung
tatsächlich ansteigen: Die Höhe der inneren Wärmelast und der solaren
Wärmegewinne im Sommer ist so hoch, dass zusätzliche Wärmeverluste
durch schlecht gedämmte Bauteile zu einer vergrößerten Abfuhr der
Überschußsswärme führen. Diesem Ergebnis nach müssten Passivhäuser
tatsächlich größere Probleme beim sommerlichen Innenklima aufweisen
als gewöhnliche Häuser mit gleichem Grundriss und gleicher Solarapertur. Dieses Ergebnis steht zunächst scheinbar
im Widerspruch zum ausgesprochen guten sommerlichen Innenklima im
Passivhaus Kranichstein. Der Widerspruch löst sich aber, wenn die
Übertemperaturhäufigkeiten bei geänderter und praxisnaher sommerlicher
Lüftungsstrategie betrachtet werden (Abb. 21):
Werden die Fenster im Sommer bei Bedarf gekippt, so sinken die Übertemperaturhäufigkeiten
bei diesem Massivbau beträchtlich. Nicht nur das: auch der Einfluss
des Wärmeschutzniveaus von Dach und Wand kehrt sich um. Bei schlechterer
Dämmung liegen nun zunächst höhere Übertemperaturhäufigkeiten (um
0.5%) vor, die auf ein Minimum im Bereich des Passivhaus-Standards
absinken. Der Unterschied in der sommerlichen Behaglichkeit
zwischen den verschiedenen Dämmniveaus ist nicht sehr groß. Aus dieser
Untersuchung geht aber klar hervor, dass in Passivhäusern, sofern
eine Möglichkeit für das Kippen von Fenstern im Sommer besteht, jedenfalls
kein schlechteres Raumklima vorliegt als bei Niedrigenergiehäusern
oder noch schlechteren Dämmstandards. Die Ergebnisse sind leicht zu erklären:
Besteht im Sommer eine Möglichkeit zur Fensterlüftung, so kann wirkungsvoll
Überschusswärme „abgelassen“ werden, wenn die Außentemperaturen niedrig
genug sind. Damit kann das Haus insgesamt auf ein komfortables sommerliches
Innenklima gebracht werden. Bei großer Hitze hingegen läßt man die
Fenster wieder zu: dann hilft die verbesserte Wärmedämmung sogar,
das Einfallen von Wärme über die opaken Bauteile zu begrenzen. Ein
solches Haus ist leichter „kühl“ zu halten, als bei schlechter Dämmung. Gute Dämmung hilft im Winter wie im Sommer
Das Ergebnis der Untersuchung zum
Wärmeschutzniveau führt auf eine weitere Planungsleitlinie: Ein verbesserter
Wärmeschutz reduziert einerseits die Wärmeverluste im Winter bedeutend
und hilft andererseits, das sommerliche Innenklima kühl zu halten
– unter der Voraussetzung, dass eine ausreichende Lüftung im Sommer
möglich ist.
12
Hat das Temperatur-Amplitudenverhältnis noch Einfluss? In einer Vielzahl älterer Publikationen
wurde die Bedeutung des Temperatur-Amplitudenverhältnisses (TAV) und
der Phasenverschiebung (φ) von Außenbauteilen für die Behaglichkeit, insbesondere im
Sommer, hervorgehoben. Auch heute noch sehen einige Autoren einen
hohen Einfluss dieser Kenngrößen. In der Sommerfallstudie wurden variierte
Außenwände so ausgewählt, dass die instationären Wärmetransporteigenschaften
sich möglichst stark unterscheiden, um diese Effekte so deutlich wie
möglich herauszuarbeiten (Abb.
22).
1
"KS17&30":
"Massivbauweise" außen 300 mm EPS; innen 175 mm
KS-Wand; U=0.126 W/(m²K), flächenspezifische
Speicherkapazität 106.5 Wh/(m²K). 2
"KS InnDämm":
Hier wird das zuletzt beschriebene Bauteil einfach „umgedreht“; die
EPS- Dämmung kommt nach innen, der Kalksandstein
nach außen; gleiche 3
„2*Sandwich“: Dämmschicht
und KS-Mauerwerk gegenüber dem letzten Fall aufgeteilt: 87.5 mm
KS; 150 mm EPS; 87.5 mm KS; 150 mm
EPS; immer noch gleicher U-Wert und Gesamtkap.. 4
„HomWa“: Wärmedurchgangswiderstand
und Wärmekapazität homogen über das Bauteil verschmiert.
UW= 0.126 W/(m²K), flächenspez. Speicherkap. 106.5
Wh/(m²K) unverändert. Abb. 21
zeigt die Entwicklung von hθ>25°C
bei unterschiedlicher
Süd-Fensterfläche für die Gebäudevarianten, bei denen die Außenwände
mit den oben aufgeführten unterschiedlichen Bauteilen mit extrem verschiedenen
TAV-Werten belegt sind; die Werte unterscheiden sich auf dem gesamten
Bereich nur sehr geringfügig. Als Schlussfolgerung können wir festhalten: 13 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum sommerlichen Raumklima in Passivhäusern In der Passivhaus-Sommerklima-Studie wurde
der Einfluss verschiedener baulicher Parameter auf die Behaglichkeit
im mitteleuropäischen Sommer untersucht. Als wichtigste Kenngröße
wurde dabei die Übertemperaturhäufigkeit zu 25°C verwendet, d.i. das
Verhältnis zwischen der Zahl der Stunden mit Überschreitung dieser
Temperatur zur Zahl der Stunden des Jahres (8760 h). Für die Untersuchung
verwendet wurde das instationäre Simulationsprogramm DYNBIL, das mit
einem am Passivhaus Darmstadt-Kranichstein validierten Gebäudemodell
eines Reihenmittelhauses eingesetzt wurde. Die Variation der baulichen Parameter
erlaubte folgende Schlussfolgerungen: · In Bezug auf
das Dämmniveau: Besserer Wärmeschutz
kann bei vernünftigem Nutzerverhalten im Sommer die Behaglichkeit
verbessern helfen. Das Passivhaus hat daher in Mitteleuropa entgegen
häufig geäußerter Befürchtungen kein spezifisches "Sommerklimaproblem". · In Bezug auf
die Lüftung: Selbstverständlich
ist es ratsam, die im Passivhaus vorhandene balancierte Lüftung mit
Wärmetauscher zeitweise im Sommer ohne Wärmerückgewinnung zu betreiben.
Sehr gute Ergebnisse sind erzielbar, wenn ein bewusstes Sommerlüften
bei Bedarf mit gekippten Fenstern möglich ist (insbesondere auch in
der Nacht). ·
In Bezug auf
die Verglasung: Die effektive
Solarapertur erweist sich als neben der Lüftung wichtigste Einflussgröße
auf die sommerliche Behaglichkeit. Bei kleinen Fenstern entstehen
in der Regel ohnehin keine Übertemperaturen. Vertikale Südorientierungen
sind im Sommer weit günstiger als z.B. Ost- oder Westrichtung. Es
werden Richtlinien gegeben, ab welcher Apertur weitergehende Maßnahmen
(Verschattung) empfehlenswert sind. · In Bezug auf
Verschattung: Im Gegensatz
zum normalen Niedrigenergiehaus sind für das Passivhaus bei südorientierten
Fenstern feststehende horizontale Schirme (Balkonüberstände) mit nicht
zu großer Tiefe (1.2 bis 1.6 m bei raumhohen Fenstern) sehr wirksam
für den Sonnenschutz im Sommer, ohne dass der Jahresheizwärmebedarf
zu stark erhöht wird. Sehr effizient sind außenliegende temporäre
Verschattungseinrichtungen, aber auch solche, die im äußeren Scheibenzwischenraum
der Dreifachverglasung angeordnet sind. · In Bezug auf
die Gebäudemasse: Gebäude mit
größerer wirksamer innerer Masse sind in Mitteleuropa im Sommer etwas
leichter auf kühlen Temperaturen zu halten als reine Leichtbauten.
Auch bei letzteren ist unter der Voraussetzung des sehr guten Wärmeschutzes
eines Passivhauses aber ein gutes sommerliches Raumklima erreichbar. · In Bezug
auf das Temperatur-Amplituden-Verhältnis TAV:
Bei den im Passivhaus vorliegenden Dämmqualitäten ist die stationäre
Dämpfung bereits so groß, dass die dynamische Dämpfung und damit das
TAV keine Rolle mehr spielt. Mit diesen Informationen kann der Architekt mit Hilfe des PHPP-Sommerblattes ein Gebäude auf akzeptable sommerliche thermische Behaglichkeit hin planen. Innerhalb des Wissenschaftlichen Programms des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser wurden vereinfachte Algorithmen entwickelt und getestet, die eine ausreichend genaue Darstellung der in diesem Artikel beschriebenen Abhängigkeiten des Raumklimas im Sommer von den baulichen Parametern erlauben. Das resultierende Verfahren wurde in [Feist 1999] publiziert. Das Verfahren wurde später In Tabellenkalkulationsformeln umgesetzt und in das PHPP als Sommer-Blatt aufgenommen. Dieses Sommerblatt arbeitet mit denselben Eingabedaten, die für das PHPP-Monatsbilanzverfahren bereits eingegeben worden sind - dazu kommen nur die spezifisch für den Sommerfall benötigten Kennwerte, nämlich:
Das Blatt ermittelt
daraus die Häufigkeit von Übertemperaturstunden
hθ>25 / 26°C.
Literatur: [DIN 1946] „Raumluftqualität, Gesundheitstechnische Anforderungen (VDI-Lüftungsregeln)“;
Januar 1994 [Feist 1993] Feist,
Wolfgang: „Passivhäuser in Mitteleuropa“; Dissertation, Unversität Kassel GhK,
Kassel 1993 [Feist 1994] Feist, Wolfgang: „Thermische Gebäudesimulation“; 1.Auflage
Karlsruhe 1994 [Feist 1997] Feist, Wolfgang
(Hrsg.): „Energiebilanz und Temperaturverhalten“; Protokollband Nr. 5
des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser; Darmstadt 1997 [Feist 1998b] Feist, W. und Holtmann, K.:
„Erhöhter Glaseinstand kann
Gefahr von thermisch induzierten Scheibensprüngen reduzieren“;
Gff (Glas Fenster Fassade), Heft 5/1998 [Feist 1999] Feist,
Wolfgang (Hrsg.): „Passivhaus Sommerfall“; Protokollband Nr. 15 des Arbeitskreises kostengünstige
Passivhäuser, Passivhaus Institut, Darmstadt 1999 Peper/Feist 2002] Peper, Sören; Feist, Wolfgang: "Klimaneutrale Passivhaussiedlung Hannover-Kronsberg Analyse im dritten Betriebsjahr"; 1. Auflage, Proklima, Hannover 2002; dieser Bericht kann kostenlos bei proKlima bezogen werden. [Kirtschig 1998] Kirtschig,
Thomas; Werner, Johannes; Feist, Wolfgang: „Thermische
Behaglichkeit im Passivhaus Kranichstein - eine Wohneinheit als Nullheizenergiehaus:
Winter 1994/95“; Passivhaus-Bericht Nr. 16, Institut Wohnen und
Umwelt GmbH, Februar 1998 [Knissel 1998] Knissel,
Jens: „Validierung des Simulationsprogramms TAS; Vergleich mit Messergebnissen
aus dem Passivhaus Damstadt-Kranichstein“; Institut Wohnen und
Umwelt, 1998 [Kolmetz 1996] Kolmetz, S.; „Thermische Bewertung von Gebäuden unter sommerlichen
Randbedingungen – Ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung von Raumtemperaturen
in Gebäuden im Sommer und deren Häufigkeit“; Dissertation Universität
Gesamthochschule Kassel 1996. [PHPP 2007] Feist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Passivhaus Institut Darmstadt, 2007 (Link zur Beschreibung: PHPP-Inhalte). [Schneider 2006] Schneider,
U.: Grünes Licht; im Tagungsband der 10. Passivhaustagung,
Hannover, Passivhaus Institut Darmstadt, 2006 [Wang 1996] Wang,
Zhiwu: „Controlling Indoor Climate“; Dissertation, Lund University, Department
of Building Science, 1996 Anmerkungen: 1) Hierzu zunächst eine allgemeine Bemerkung zur Physik: Wärmedämmung "erzeugt" keine Wärme, sie verringert den Wärmeaustausch zwischen Systemen mit unterschiedlicher Temperatur. Sie schützt daher auch ein kühles System vor Wärmeeintrag aus der Umgebung. Kühlgeräte werden deswegen wärmegedämmt - ein populäres Beispiel ist das Kühlhalten von Eiswasser in einer (gut wärmedämmenden) Thermoskanne. 2) Alle anderen drei Hauseinheiten hatten und haben außenliegende Jalousien zur temporären sommerlichen Verschattung. Bei der Endeinheit wurden solche Jalousien nicht installiert, weil diese Einheit für das Nullheizenergiehaus-Experiment im Herbst 1993 mit wärmegedämmenten Schiebeläden ausgerüstet wurde. Link zur Startseite der Informationen zum Passivhaus: Passivhaus-Grundlagen. Link zur Homepage der Passivhaustagung: Passiv Haus Konferenz. Link zur Homepage Passivhaus Institut: (Überarbeitet:
25.11.2007 |