Verzeichnis: Überblick zu den Passivhaus-Informationen

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Warum hohe Energieeffizienz?
Reicht nicht auch schon ein weniger ehrgeiziger Standard?

Bild 1: Erreichbare Energieeinsparungen im Szenario mit maximaler Umsetzungsgeschwindigkeit: Nur unter Einsatz von höchster Effizienz in jedem Einzelfall ist bis zum Jahr 2040 die erforderliche Einsparung von 50 % zu erreichen. Die "alte" Niedrigenergietechnologie kann nur die Hälfte dieser Zielsetzung erreichen.

Bild 2: Unterschied im Einsparerfolg bei einem konkreten Objekt (Reihenhaus), wenn nur mittelmäßige Komponenten verwendet werden (NEH-Sanierung) oder wenn eine Sanierung mit Passivhaus-Komponenten erfolgt. Nur der letztere Fall kann zu einer nachhaltigen Lösung führen.

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Eine oft vertretene Position ist: "Niedrigenergiestandard ist doch gut genug - wir erreichen doch damit bereits deutliche Einsparungen gegenüber dem Altbau und somit hohe Umweltentlastungen." So schmerzhaft es sein mag, aber gerade diese Aussage ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung. Das hat zwei Gründe, die durch eine Betrachtung der Zeitreihen des gesamten Heizenergieverbrauchs (vgl. Bild 1) deutlich werden.

Bewusst wurde hier ein Szenario mit der maximal sinnvollen Umsetzungsrate von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand gewählt. Diese maximale Umsetzungsrate ergibt sich aus den Erneuerungszyklen der Bauteile: Jede Maßnahme am Gebäude ist ökonomisch nur dann sinnvoll ausführbar, wenn sie im natürlichen Zyklus der Bauteilerneuerung erfolgt.

Weil in letzter Zeit gerade dieser Aussage widersprochen wird, und leider gerade oft von Politikern, die es ernst meinen mit dem Ziel der Nachhaltigkeit, hierzu eine Erklärung aus Sicht eines Haubesitzers an einem Beispiel: Es ist weder heute noch irgendwann in der Zukunft sinnvoll, ein intaktes Fenster nur aus Gründen der Energieeinsparung durch ein neues Fenster zu ersetzen; dazu sind die Basiskosten des Fensterersatzes einfach zu hoch (über 270 €/m²; die Kosten für eine eingesparte Kilowattstunde würden dann bei über 25 €Ct/kWh liegen). Die Bauteile werden also dann verbessert, wenn sie ohnehin ersetzt oder renoviert werden - mitbedenken muss man auch, dass die Maßnahmen Krach und Dreck in der Wohnung bewirken.

Schon der letzte Abschnitt zeigt (aus einzelwirtschaftlicher Sicht), dass die Strategie, die Sanierungsrate anstelle der Sanierungstiefe zu erhöhen, im Zeitverlauf nicht aufgeht. Versucht man nämlich durch fördertechnische Anreize eigentlich noch nicht anstehende Erneuerungsinvestitionen vorzuziehen, so ist dies nur durch deutlich höhere Fördermittel je Maßnahme zu erreichen, weil nun nicht nur die Zusatzkosten für bessere Energieeffizienz, sondern auch die Kosten der ohnehin erforderlichen Ersatz- oder Erneuerungsmaßnahme gefördert werden müssen. Würden so "in der Breite" auf die Schnelle tatsächlich viele Maßnahmen ausgelöst, so ist der Effekt makroökonomisch nur kurzfristig und er wirkt sich im Zeitverlauf letztlich negativ aus: Der Energieverbrauch stagniert dann (nach Ablauf der "beschleunigten Phase") letztlich auf höherem Niveau weil das Effizienzpotential bei jeder Einzelmaßnahme nicht voll ausgeschöpft wurde (derzeit ist es nämlich noch keinesfalls selbstverständliche Praxis, dass generell nur Dreischeibenverglasungen und keine Dämmdicken unter 18 cm eingesetzt werden). Auch beschäftigungspolitisch wirken sich derart kurzfristig angelegte Förderprogramme schädlich aus, weil nach dem Investitionsschub die Auftragsbücher der einschlägigen Baubranche plötzlich leer sind und es für lange Zeit bleiben - bis zum nächsten Erneuerungszyklus oder der nächsten Beschleunigungs-Subvention. Das ist keine theoretische Überlegung, sondern eine historisch belegte bittere Erfahrung aus dem sog. "4,35 Mrd Förderprogramm" der deutschen Bundesregierung, welches eine kurzfristige Welle des vorgezogenen Austausches von Fenstern zu solchen mit Zweischeiben-Isolierverglasungen ausgelöst hat (zum kurzfristigen Vergnügen der einschlägigen Branche), dann aber den Fenstererneuerungsmarkt über viele Jahrzehnte zum Erliegen brachte. Die Industrie hatte eine etwa dreifache Überkapazität geschaffen, die sie nun nicht entfernt auslasten konnte. Energiewirtschaftlich gesehen war der Aufbau dieses Programms ein Desaster: Noch kurz vor dem Marktdurchbruch der Wärmeschutzverglasungen mit U-Werten von (damals guten!) 1,2 W/(m²K)) wurde fast der gesamte Fensterbestand durch aus heutiger Sicht nicht nur mittelmäßigen, sondern wirklich mangelhaften Isolierverglasungen (U-Werte um 2,8 W/(m²K)) ausgetauscht - und der Wärmeverlust so auf hohem Niveau "stabilisiert". Im schlimmsten Fall bleibt die erhoffte Wirkung der überhöhten Förderanreize sogar gänzlich aus, sondern führt lediglich zu steigenden Preisen der Bauprodukte und Handwerkerangebote. Dieser Effekt wurde damals der Regierung seitens führender wirtschaftswissenschaftlicher Institute vorgeworfen.

Ein Fehler wäre es, mit dem Hinweis auf dieses gescheiterte Programm nun alle staatlichen Anreizprogramm abzulehnen. Anreizprogramme können nämlich tatsächlich eine bedeutende positive Wirkung in jeder Hinsicht entfalten, wenn sie nur richtig angelegt sind. Ein sorgfältig durchdachter Vorschlag liegt vom Autor dazu schon seit langem vor (Feist 2000: Förderkonzept Gebäudebestands-Modernisierung), ein Zitat aus diesem Papier:

Entscheidend für die Wirkung eines Konzeptes zur Verbesserung der Energieeffizienz im Bestand ist es nun gerade, diese ohnehin erfolgenden Maßnahmen im Sinne einer entscheidenden wärmetechnischen Verbesserung nutzbar zu machen. Leider werden nämlich heute bei den jeweils einzelnen Anlässen von Ohnehin-Maßnahmen überwiegend die dabei möglichen gekoppelten Effizienzverbesserungen nicht oder nur mit unzureichender Qualität ausgeführt. Ein entscheidendes Ziel des Programms muss es sein, genau diese entgangenen Gelegenheiten für sinnvoll genutzte gekoppelte Maßnahmen zu mobilisieren. Das Ankoppeln von Effizienzverbesserungen an anders motivierte bauliche und haustechnische Maßnahmen ist daher geradezu erwünscht. Das Konzept muss diese Anlässe bewusst nutzen, um für die gleichzeitige Durchführung wärmetechnischer Maßnahmen zu motivieren. Gerade durch diese Kombination entsteht erst die einzelwirtschaftliche Basis, bedeutende Verbesserungen einzelwirtschaftlich vertretbar in der Breite umzusetzen. Darüber hinaus wird generell die Motivation für energiesparende Maßnahmen angehoben.
Ein Beispiel: Ein häufiger Anlass für eine außenliegende Wärmedämmung eines Gebäudes kann eine fällige Putzerneuerung sein. Weil in diesem Fall die Kosten für Gerüst, Abklopfen bzw. Ausbessern des Altputzes und Neuverputz ohnehin anfallen, sind die zusätzlichen Kosten, die für das Anbringen einer Wärmedämmung entstehen, einzelwirtschaftlich vertretbar. Trotz dieser einmaligen Chance für eine bedeutende Verbesserung unterbleibt die Dämmung heute noch in vielen dieser Fälle. Ähnlich ist die Lage bei Neueindeckungen oder Ausbauten von Dächern, Innenrenovierungen und dem Austausch von Heizkesseln. All diesen Anlässen ist eines gemein: Es werden mit oft nicht geringen Mitteln Bauteile und Komponenten des bestehenden Gebäudes verändert, die entscheidenden Einfluss auf die Energieeffizienz haben. Durch eine qualitätvolle Wahl der jeweiligen Maßnahme lassen sich jeweils zusätzliche Energieeinsparungen in hohem Umfang realisieren. Dafür sind in der Regel gewisse Mehrinvestitionen gegenüber den Ohnehin-Maßnahmen erforderlich. Ein entscheidender Impuls des Förderkonzeptes muss nun genau darin liegen, eine Motivation für die Durchführung dieser gekoppelten Maßnahmen zu schaffen.

Bild 1 zeigt die energiewirtschaftlich relevanten Ergebnisse für zwei unterschiedliche Handlungsweise:

Verwendung von "normaler" Niedrigenergie-Technologie, die wie folgt angesetzt wurde:

Erreichte U-Werte bei Wänden, Dächern, Kellerdecken von etwa 0,3 W/(m²K) entsprechend Dämmstärken von 10 bis 15 cm mit konventionellen Dämmstoffen.

Verwendung von heute üblichen neuen Fenstern (Uw = 1,46 W/(m²K).

Mindestlüftung ohne Wärmerückgewinnung.

Versorgungstechnik: Brennwertkessel oder gute elektrische Wärmepumpen.

Mit dieser Strategie ist bei maximal sinnvoller Umsetzungsrate eine Heizenergieverbrauchsreduktion von 25 % bis zum Jahr 2040 möglich. Alle Einzelmaßnahmen sind für die Gebäudeeigner wirtschaftlich durchführbar.

Verwendung von hocheffizienten Sanierungsmaßnahmen, wie folgt angesetzt:

Erreichte U-Werte bei Wänden, Dächern, Kellerdecken von etwa 0,15 W/(m²K), entsprechend Dämmstärken von 20 bis 30 cm mit konventionellen Dämmstoffen

Verwendung von dreischeibenverglasten Warmfenstern (Uw = 0,8 W/(m²K)).

Einbau einer Lüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung (WRG größer oder gleich 85 %)

Versorgungstechnik: Brennwertkessel oder elektrische Wärmepumpen, u.a. Wärmepumpenkompaktgeräte.

Mit dieser Strategie ist bei maximal sinnvoller Umsetzungsrate bis 2040 eine Heizenergieverbrauchsreduktion im gesamten Bestand (inkl. der in diesem Zeit nicht sanierten Gebäude!) von 50 % möglich. Auch bei dieser Strategie sind alle Einzelmaßnahmen für die Gebäudeeigner wirtschaftlich durchführbar, auch wenn die energiebedingten Investitionskosten insgesamt etwa doppelt so hoch sind: Auch die Energiekosten-Einsparungen sind im Mittel etwa doppelt so hoch.

Der Vergleich der beiden Zeitreihen zeigt, wie wichtig es ist, bei jeder Einzelmaßnahme die höchste ökonomisch vertretbare Energieeffizienz zu erreichen. Nur so ist nämlich eine Halbierung des Energieverbrauchs in der dafür zur Verfügung stehenden Zeit möglich.

Aus der Zeitdynamik dieser Entwicklung folgt ein zweiter, noch bedeutenderer Grund für die Notwendigkeit des Grundprinzips "Wenn schon, denn schon". Dies sei wieder an einem Beispiel illustriert: Wird z.B. bei einer Fassade durch Anbringung einer Wärmedämmung mit 10 cm Dämmstärke eine (nicht unerhebliche) Energieeinsparung erreicht, so ist diese Fassade für die nächsten 50 Jahre erledigt. Solange muss eine Sanierung nämlich halten, wenn sie überhaupt ökonomisch vertretbar sein soll - übliche Putzfassaden haben diese Dauerhaftigkeit, wie erst unlängst wieder systematisch nachgewiesen wurde. Die Fassade weist dann einen U-Wert von 0,31 W/(m²K) auf. Dann lohnt es sich aber unter keinerlei Umständen mehr, diese Fassade zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal wärmezudämmen. Die fixen Kosten einer solchen Maßnahme, die im Erstellen eines Gerüstes und der Neuanbringung des Putzes liegen, sind mit mindestens 70 €/m² so hoch, dass die Ausführung niemals sinnvoll sein wird (die Kosten für eine eingesparte Kilowattstunde würden dann bei über 16 €Ct/kWh liegen). Ähnlich stellt sich dies auch für alle anderen Maßnahmen dar: Die Ausführung einer nur mäßigen Verbesserung an einem bisher schlechten Bauteil ist ein Hemmnis, das auf absehbare Zeit die Erschließung weitergehender Einsparpotentiale verhindert. Durch die systematische Analyse dieser Zusammenhänge wird deutlich, warum das Grundprinzip "Wenn schon, denn schon" bei Neubau und Modernisierung einen so hohen Stellenwert hat.

(aktualisiert: 03.08.2009 Autor Wolfgang Feist  © Passivhaus Institut; unveränderte Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet)