Passivhaus in Darmstadt - Kranichstein
Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Impressionen im Jahresgang

von Dr. Wolfgang Feist, Passivhaus Institut , 2006

Das Passivhaus Darmstadt Kranichstein wurde 1990/91 nach Plänen der Architekten Prof. Bott/Ridder/Westermeyer im Auftrag einer Baufamiliengemeinschaft gebaut. Die folgenden Bilder zeigen das Haus im Jahresgang. Dazu werden Eindrücke vom Leben in diesem Gebäude wiedergegeben. Hier leben derzeit (2006) 14 Personen in vier Familien; die gleichen Familien seit 1991, aber zum Teil mit Familienzuwachs. Eine Beschreibung des Hauses und des wissenschaftlichen Hintergrundes finden Sie hier.

Endlich Frühling! Er hat 2006 lang auf sich warten lassen. Heizen müssen wir im Passivhaus allerdings schon seit dem 15. März nicht mehr. Und wir können die Fenster aufmachen, wann immer wir wollen, z.B. um dem morgendlichen Gesang der Vögel zu lauschen (vgl. Fenster öffnen im Passivhaus?). Das Haus hält sich seit Mitte März von selbst warm. Auch zulassen dürfen wir die Fenster natürlich immer, wenn wir wollen: Für eine ausreichende Lufterneuerung sorgt die Lüftungsanlage; es gibt keine schlechte Luft, auch wenn man tagelang die Fenster nicht öffnen sollte. Im Bild ist der Fortluftauslass des Osthauses (unten, Mitte Giebelwand) zu erkennen. Die beiden Auslässe der Mittelhäuser kann man nebeneinander gerade noch hinter dem zarten Grün eines Busches in der Mitte der Südfassade sehen.

Im Sommer spendet der wilde Wein Schatten - aber auch die Jalousien, die jetzt öfter geschlossen werden. Das Haus ganz links hat keine Jalousien, dafür aber wärmegedämmte Schiebeläden. Ganz in der Frühe ist es draußen noch kühl und es lohnt sich, zu lüften. Selbst im sehr heißen Sommer des Jahres 2003 konnten wir unser Passivhaus ohne Klimaanlage angenehm kühl halten - auch im Rekord-Juli des Jahres 2006. In den gemieteten Büroräumen des Passivhaus Institutes war das sehr viel schwieriger, weil es auch in der Nacht kaum noch auskühlte. Die lange Zeitkonstante des Passivhauses erlaubte es jedoch, die kühleren Bedingungen über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten.

Hier ein Bild des Profi-Fotografen H. G. Esch aus frühen Zeiten (1992) mit der gesamten Südfassade des Passivhauses Darmstadt Kranichstein im Spätsommer. Zu dieser Zeit waren die Schiebeläden im ganz westlichen Haus (links) noch nicht installiert und der Wein ist noch nicht gewachsen (Klick auf das Bild liefert einen noch höher aufgelösten Scan; 152 kB). Messungen aus dieser Zeit zeigen, dass trotz der unzureichenden Verschattung im Sommer komfortable Bedingungen erreicht werden konnten. Dafür bedeutend sind vier Dinge: die gute Lüftungsmöglichkeit durch geöffnete Fenster, die exakte Südorientierung der Fassade (auf eine senkrechte Südfläche fällt im Sommer nicht viel Sonnenenergie), die zwar geringe, aber im Sommer wirksame Verschattung durch die Fensterlaibungen und die kleinen Balkone sowie die lange Zeitkonstante des Hauses.

Aufnahme des Passivreihenhauses Kranichstein von der Nordseite (Juni 2006). Der große verglaste Vorbau auf der Nordseite hat keine Funktion bzgl. der Energiebilanz - er ist ein Architektur-Element. Aus dem Glasvorbau gibt es individuelle Zugänge in die Kellerräume. Alle vier Frischlufteinlässe der Lüftungssysteme sind in Höhe der Geschossdecke über dem Erdgeschoss zu sehen. Hinter dem Einlassgitter sitzt unmittelbar ein hochwertiger Filter (F8); das Kanalsystem erwies sich auch nach 15 Jahren als so sauber, "dass man sich drin spiegeln kann".

Die Farbenpracht des Herbstes. Am 22. November wird in den Wohnungen des Passivhauses noch lange nicht geheizt. Es ist schön warm im Haus (zwischen 21 und 23°C) und ab und zu öffnet man gern einmal ein Fenster. Im Bild ist zu sehen, dass sogar einige Jalusien geschlossen sind: Noch wird nicht jedes Quäntchen Sonnenenergie unbedingt gebraucht, das Haus bleibt auch so warm. In der Regel wird irgendwann im Dezember dann die zentrale Gasheizung auf "Winterbetrieb" umgestellt; je nach Wetter, es kam auch schon vor, dass bis Weihnachten nicht geheizt werden musste. Immer, wenn es einen sonnigen Tag gibt, fällt die Strahlung nun bis weit in die Räume ein. Tagsüber erwärmt sich das Haus dann auf bis zu 23 °C; im Mittel nimmt die Temperatur an einem sonnigen Spätherbsttag um fast 1 Grad zu. Aber leider überwiegen ab Mitte Dezember die Wolken. Und dann "verliert" das Haus von Tag zu Tag etwa 0,1 bis 0,2 °C, je nach Wetterbedingungen1). Es dauert also eine ganze Zeit, bis die Wärmeverluste den Vorrat an Innerer Energie aufgezehrt haben - und dann muss etwas zugeheizt werden. (Foto: Ebel, 2006)

Selten gab es in Darmstadt soviel Schnee wie im Winter 2005/2006. Aber auch im Januar 2005 lag Schnee (Bild: W. Ebel). Bei solchem Wetter sind wir froh, dass die Lufterneuerung über die Lüftungsanlage perfekt funktioniert: Durch den Erdreichwärmetauscher und durch die Wärmerückgewinnung ist die Zuluftemperatur immer höher als 18 °C. Die Zulufteinlässe (in diesem Haus:Tellerventile) befinden sich im oberen Bereich des Raumes. Bis die Luft den Aufenthaltsbereich erreicht, hat sie sich längst mit der warmen Raumluft vermischt. Die Heizwärme kommt bei diesem Gebäude übrigens von kleinen Heizkörpern, die an den Innenwänden montiert sind. Das ist bei einem Passivhaus möglich, denn die Oberflächen der Fenster sind ebenfalls warm, da sie nur sehr wenig Wärme verlieren, und die Fassade ist so gut luftdicht, dass es nie zu Zugerescheinungen kommt.

Auf der Nordseite hat das Passivhaus Darmstadt Kranichstein einen großzügigen verglasten Vorbau, der nicht beheizt wird. Es handelt sich um Einscheiben-Verglasung - bei frostiger Witterung gibt es an den Scheiben Eisblumen zu sehen. Ein besonders prächtiges Exemplar zeigt das nächste Bild weiter unten. Auf dem Bild oben sieht man auch gut die Frischlufteinlässe: Die Gitter in gut 2,80 m Höhe sitzen vor einem sehr guten Feinfilter (F8). Es sind alle vier Einlässe zu sehen, in der vorderen Wohnung auch ein Stück der Frischluftleitung (hinter dem Glas), die die Luft bis in den Keller und dort in den Erdreichwärmetauscher führt. Die Luftleitungen nach dem Filter sind auch nach 15 Jahren sauber wie gerade eben gereinigt: Ein hochwertiger Filter lohnt sich wirklich!

Eisblumen auf den einfachverglasten Scheiben des nordorientierten Glasvorbaus im Passivhaus Darmstadt Kranichstein. Naturerlebnis ohne unbehagliche Kälte - denn die thermische Hülle des Hauses ist die nordseitige Trennwand zum Glasvorbau hin. Dort gibt es große, dreifachverglaste Fenster - und die Wand ist (fast) genauso dick gedämmt, nämlich 27,5 cm, wie die übrigen Außenwände.

Innenaufnahme einer großzügigen offenen Wohnküche im Erdgeschoss des Passivhauses Darmstadt Kranichstein (Foto: HG Esch).

Der Querschnitt durch das Passivhaus Darmstadt Kranchstein zeigt die wichtigsten Komponenten:

  • Die sehr gute, rund um das beheizte Volumen gelegte Wärmedämmung (im Dach 450, auf den Außenwänden 275 und unter der Kellerdecke 250 mm).
  • Die dreifachverglasten Wärmschutzfenster mit besonderer, handwerklich gefertigter Rahmendämmung - heute als Passivhausfenster marktgängig.
  • Die Lüftung mit nördlich gelegenem Lufteinlass, Frischluftfilter, Erdreichwärmetauscher, Luft/Luft-Wärmetauscher und Zuluft- sowie Abluftverteilung (in dier Grafik leicht vereinfacht gegenüber dem 1991 gebauten Haus, bei einem Neubau würde es wie in dieser Zeichnung auch ausgeführt)

Das alles funktioniert auch nach 15 Jahren weiterhin bestimmungsgemäß.

Mit diesem Link finden Sie einige Ergebnisse aus diesem Haus: 15 Jahre Passivhaus Kranichstein. Dort gibt es auch weitere Literaturhinweise.

 

Link zur 15-Jahres-Feier am 7. Oktober 2006.

Anmerkungen:

1) Die folgende Grafik zeigt, wie durch die Sonnenenergie die Räume im Passivhaus erwärmt werden:

Nichts zeigt eindrucksvoller die Wirksamkeit der passiven Solarenergienutzung als Messwerte aus dem Passivhaus Kranichstein: Im Dezember 2004 war in diesem Haus keine Heizung im Betrieb. An den beiden sonnigen Tagen 14. und 15. Dezember gelangt durch die Verglasungen Sonnenenergie in den Raum (gelbe Phasen). Die Raumtemperaturen erhöhen sich sichtbar. Die innere Speichermasse des Hauses wird aufgeladen. Da die Wärmeverluste sehr gering sind, kann das Haus diese Wärme halten. Am 16. Dezember um 6:00 liegt die Temperatur 0,8 Grad über dem Wert vom 14. Dezember vor Beginn der Einstrahlung. Die folgenden Tage waren leider, wie so oft im mitteleuropäischen Winter, stark bewölkt. Trotzdem verliert das Haus auch ohne Heizung nur etwa 0,2 Grad je Tag.

Diese Grafik zeigt den gesamten Dezember 1994. Immer wieder gibt es solare Gewinne, die das Haus erwärmen. Allerdings: Wenn die Wärmeverluste auch nur ein wenig höher wären, würde sich das Haus in den eher bewölkten Zeiträumen (16. - 21. Dez. und 24. bis 31. Dez.) deutlich stärker auskühlen. Eine Temperatur von 20°C (+2 / -0,3 K) könnte dann nicht gehalten werden. Entscheidend für ein echtes Nullheizenergiehaus ist daher eine lange Gebäudezeitkonstante. Passivhäuser müssen aber keine Nullheizenergiehäuser sein - solange nur sehr wenig zugeheizt werden muss, werden alle relevanten Ziele auch schon erreicht. Denn: 15 kWh/(m²a) an Heizwärme ist so wenig, dass es in jeder denkbaren Zukunft kein Problem mit der Energiebereitstellung dafür geben wird. Vgl. den Aufsatz: Niedrigenergiehaus, Passivhaus, Nullheizenergiehaus.

Danksagung: Die Messungen wurden durch die Hessische Landesregierung finanziert.


Literatur kann über das Passivhaus Institut bezogen werden. Eine Erklärung der Details von Passivhäusern findet sich im Internet unter den Seiten der Internationalen Passivhaustagung: Dort den Link zu "Passivhaus" anklicken.

aktualisiert: 19.05.2007; Autor: Dr. Wolfgang Feist;
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