Wärmedämmung
von Passivhäusern
Der
gute Wärmeschutz ist ein Schlüssel zur Funktion des Passivhauses.
Wärmeverluste durch nicht lichtdurchlässige Bauteile (auch „opake
Bauteile“ genannt) müssen sehr gering sein. Nur dann kann die
Heizlast auch am kältesten Tag so gering sein, dass eine Heizung
allein mit der Frischluft möglich wird. Der Wärmeverlust durch ein
Regelbauteil, also eine Außenwand, einen Fußboden, eine oberste
Geschossdecke oder ein Dach, wird durch den Wärmedurchgangskoeffizienten
oder U-Wert gekennzeichnet (früher: k-Wert). Dieser Wert gibt an,
wieviel Wärme pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit des Bauteils
nach außen übertragen wird, wenn die Temperaturdifferenz gerade
ein Grad (1 Kelvin) beträgt. Die Maßeinheit des U-Wertes ist daher
"W/(m²K)“. Will man den Wärmeverlust durch eine Wand berechnen,
so muss man den U-Wert mit der Fläche und mit der Temperaturdifferenz
multiplizieren. Ein typisches Einfamilienhaus hat beispielsweise
eine Außenwandoberfläche von 100 m². Bei winterlichen Temperaturverhältnissen
liegen in Mitteleuropa außen -12°C und innen 21°C vor. Bei
unterschiedlichen U-Werten ergeben sich die folgenden typischen
Wärmeverlustleistungen durch die Außenwand:
U-Wert Wärmeverlust- Jahres-
Jahres-
leistung heizwärme- heizkosten
(2005)
W/m²K W
verlust kWh/(m²a)
nur Außenwand €/a
1,00
3300 78 429,-
0,80 2640
62 343,-
0,60 1980 47 257,-
0,40 1320 31 172,-
0,20
660
16
86,-
0,15 495 12
64,-
0,10 330
8
43,-
Ein typisches Passivhaus-Kompaktheizsystem
kann problemlos etwa 1000 W Heizleistung bereitstellen. Wenn
nicht allein die Außenwand bereits erhebliche Anteile dieser Leistung
aufzehren soll, so muss der U-Wert der Wand wirklich sehr gering
sein: der Bereich von 0,1 bis 0,15 W/(m²K) ist im Allgemeinen angemessen.
Was bedeutet das für
die wärmedämmende Gebäudehülle? Zum einen ist klar, dass derart
niedrige U-Werte nur mit wirklich gut wärmedämmenden Materialien
hergestellt werden können. Die folgende Tabelle zeigt, wie dick
ein Außenbauteil sein muss, das allein aus dem aufgeführten Material
besteht, um einen typischen Passivhaus-U-Wert von 0,13 W/(m²K) zu
erreichen:
erforderliche
Material Wärmeleit-
Schichtdicke
fähigkeit für
U=0,13 W/(m²K)
W/mK m
Normalbeton 2,100 15,80
Vollziegel 0,800
6,02
Hochlochziegel 0,400 3,01
Nadelholz 0,130 0,98
Porenziegel,
Porenbeton 0,110 0,83
===========================
Stroh 0,055
0,410
typischer
Dämmstoff 0,040 0,300
hochwertiger
konventioneller
Dämmstoff 0,025 0,188
Nanoporöse
"Superdämmstoffe"
Normaldruck 0,015 0,113
Vakuum-
dämmstoff
(Kieselsäure) 0,008 0,060
Vakuum-
dämmstoff
(Hochvakuum) 0,002 0,015
Die Tabelle zeigt es
ganz eindeutig: Gebäudehüllflächen mit vernünftigen Bauteildicken
sind nur möglich, wenn die wesentliche Dämmwirkung von einem guten
Wärmedämmstoff herrührt. Dazu können alle Materialien „unter
dem Doppelstrich“ verwendet werden. Selbstverständlich sind
kombinierte Aufbauten mit den anderen Baustoffen möglich und
in vielen Fällen notwendig: Z.B. die außen gedämmte
Betonwand oder die monolithische Wand aus Porenbeton und Mineralschaum-Dämmplatten.
Die Aufbauten werden umso dünner, je niedriger die Wärmeleitfähigkeit
des verwendeten Dämmstoffes ist. Bereits mit einer Strohballenwand
üblicher Dicke (50 cm und mehr) ist die Eignung für das Passivhaus
gegeben. Mit typischen konventionellen Dämmstoffen (Mineralwolle,
Polystyrol, Zellulose) liegt die Dicke um 30 cm. Mit marktüblichen
Polyurethanschaumdämmstoffen kann die Dämmdicke sogar auf um 20
cm reduziert werden. Auch Vakuumdämmstoffe sind in Deutschland bereits
im Bauwesen eingesetzt worden. Mit ihnen ergeben sich richtig schlanke
hochgedämmte Bauteile. Ein bereits erfolgreich umgesetzter etwas
anderer Ansatz besteht in "semitransluzenten Hüllflächen".
Dabei wird die Globalstrahlung ein Stück weit gezielt in die gedämmte
Konstruktion hineingeleitet, um so die Temperaturdifferenz zu verringen
und einen niedrigen äquivalenten U-Wert zu erreichen.
Wie
steht es um die Wirtschaftlichkeit?
Eine weit verbreitete
Ansicht ist, so dicke Dämmungen, wie sie für Passivhäuser
gebraucht werden, würden sich nicht lohnen. Lassen Sie uns
nachrechen! Dazu bitte noch einmal einen Blick auf die Tabelle ganz
oben werfen. Dort sind nämlich in der dritten Spalte auch die
gesamten, über das Jahr auftretenden Jahreswärmeverluste
je m² Bauteilfläche angegeben. Die sind ganz einfach zu
ermitteln: Nämlich U-Wert mal mittlerer Temperaturdifferenz
in der Heizzeit mal Dauer der Heizzeit; oder, einfach U-Wert mal
Heizgradstunden - das sind 78000 Gradstunden für ein mittleres
mitteleuropäisches Klima. Geheizt wird mit Erdgas, Heizöl,
Fernwärme oder Strom - günstiger als für 5,5 €Cent
je kWh jedenfalls wird Heizwärme derzeit und in der Zukunft
kaum zu bekommen sein. Damit errechnen sich Jahresheizkosten allein
zum Ausgleich der Wärmeverluste durch die Außenwand (100
m²), wie sie in der letzten Spalte angegeben sind. Hier noch
einmal ein Ausschnitt der Tabelle:
U-Wert Wärmeverlust- Jahres- Jahres-
leistung heizwärme- heizkosten
(2005)
W/m²K W
verlust kWh/(m²a)
nur Außenwand €/a
1,25
4125
98 536,-
0,125 412 10
54,-
In der
ersten Zeile (dunkelrot) stehen jetzt die Werte für eine typische
Altbauwand, und zwar eine noch gar nicht einmal so schlecht gedämmte.
Etwa 536 € müssen die Bewohner jährlich allein
dafür ausgeben, den Wärmeverlust durch 100 m² dieser
Wand auszugleichen. Mit einer nachträglichen Wärmedämmung
auf Passivhausniveau (grün) sinkt der Wärmeverlust um
einen Faktor 10; die Jahreskosten für den Energieverlust der
Außenwand sinken auf unter 54 €/a. Das bedeutet:
482
€/a Heizkosteneinsparung.
Was muss dafür getan
werden, diese Einsparung zu erreichen? Unser Vorschlag: Sie warten,
bis es soweit ist, dass die Außenwand einmal wieder gestrichen,
der Putz ausgebessert werden muss - das kann nicht allzu lange dauern,
es sei denn, Sie haben das gerade gemacht. Dann fallen die Kosten
für das Gerüst und für den Fassadenanstrich ohnehin
an. Das würde Sie etwa 2500 € kosten. Nun fragen
Sie Ihre Bank, wie hoch das Volumen eines Hypothekenkredites ist,
den Sie mit einer Jahreszahlung von 480 €/a an Zins und Tilgung
abzahlen können - über 20 Jahre. Das Kreditvolumen wird
bei den derzeitigen Zinsen so etwa bei 6300 € liegen. Zusammen
mit den 2500 € ohnehin-Verschönerungskosten stehen dann
8800 € für die Maßnahme an der Außenwand zur
Verfügung. Dafür wird sich eine Top-Dämmung der Außenwand
erreichen lassen; im Neubaufall sicher noch sehr viel günstiger.
Sie meinen, das sei ja
nur ein Nullsummenspiel? Das ganze eingesparte Geld stattdessen
für Handwerksleistungen ausgegeben? Nicht ganz, denn
- Wahrscheinlich sind
die Energiekosten in den nächsten Jahren noch höher
als hier geschätzt.
- Die Wärmeschutzmaßnahme
"hält" mindestens 40 Jahre, auch wenn man die Fassade
nach 15-25 Jahren vielleicht wieder streichen muss - wie eine
ungedämmte Wand übrigens auch. Die Dämmung bringt
ihren Dienst, die Energiekosteneinsparung, nach Ablauf der 20
Jahre Kreditlaufzeit völlig kostenlos. Bei Investitionen
in Kraftwerke u.ä. nennt sich dies "das goldene Ende".
- Die übrigen Vorteile
des besseren Wärmeschutzes bekommen Sie "gratis"
mitgeliefert: Keine kalten Ecken mehr, kein Schimmel hinter dem
Schrank, ein behagliches Wohlfühlklima ohne kalte Strahlung
und ohne Kaltluftsee am Boden.
- ...und, wenn es sich
um einen Neubau handelt oder eine umfassende Modernisierung, kommen
Sie auf diesem Weg einen Schritt näher an das Passivhaus,
das Ihnen dauerhaft Behaglichkeit garantiert.
- Ganz zuletzt: Der
Staat fördert diese Maßnahmen mit einem zinsgünstigen
Kredit der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau); das haben
wir bei der obigen Beispielrechnung noch gar nicht einbezogen.
Fazit:
es lohnt sich. "Wenn schon, denn schon" lautet die Devise,
beim Neubau und bei der Modernisierung.
Viele der beschriebenen
Dämmtechniken
werden auf der Begleitausstellung
zur 9. Internationalen Passivhaustagung gezeigt werden.
Erfahrungen
Die Erfahrung beim Bau
von Passivhäusern hat gezeigt, dass die hohen Dämmdicken auch bei
konventionellen Dämmstoffen meist ohne weiteres realisiert werden
können:
- Bei den meisten Bauaufgaben
ist der Platz für die Dämmung vorhanden. Wenn der Platz fehlt
oder teuer erkauft werden muss, kann man auf höherwertige Dämmstoffe
zurückgreifen.
- Die hohen Dämmdicken
sind baupraktisch gut handhabbar. Richtig angewendet ist der Aufwand
für die Ausführung kaum höher als bei geringeren Dämmstärken.
Es bleiben die Kosten für die größere Dämmstoffmenge – Dämmstoffe
sind jedoch ein vergleichsweise kostengünstiges Material. Wie
eine vernünftige passivhausgeeignete Konstruktion mit den verschiedenen
Baustoffen aussieht, wird auf der Begleitausstellung
der 9. Passivhaustagung und bei der Exkursion am 1. Mai gezeigt.
- Alle heute in Deutschland
bauüblichen Konstruktionen für Gebäudehüllen lassen sich auch
als Passivhaus geeignetes Bauteil ausbilden. Dies ist bereits
vielfältig in gebauten Passivhäusern demonstriert worden: Da gibt
es Mauerwerksbau (zweischalig oder mit Wärmedämmverbundsystem
oder mit vorgehängter Fassade), Leichtbetonfertigbauteile,
Betonfertigbauteile, Holzkonstruktionen (klassisch oder mit Leichtbauträgern),
Schalungselementetechnik, Metallbau-Bauteile und semitransluzente
Wandaufbauten.
- Messungen in gebauten
Passivhäusern zeigen, dass die Dämmwirkung der „dicken Dämmschichten“
ganz genau den Erwartungen entspricht. Die Wärmeverluste sind
tatsächlich so gering, wie sie nach der Berechnung sein dürfen
und die Häuser bleiben tatsächlich mit den genannten extrem kleinen
Heizleistungen warm. Unmittelbar erkennbar ist dies an den hohen
inneren Oberflächentemperaturen, die mit thermografischen Aufnahmen
sichtbar gemacht werden können (siehe Innenthermographie auf der
linken Seite). Hochwärmedämmende Bauteile, wie sie im Passivhaus
verwendet werden, haben bedeutende Vorteile gegenüber üblichen
schlecht oder mittelmäßig gedämmten Gebäudehüllen.
- Durch den geringen
Wärmeverlust ergeben sich automatisch hohe Innenoberflächentemperaturen
im Winter – auch ohne Bauteilheizflächen. Dadurch ist die Differenz
zwischen den Strahlungstemperaturen aus verschiedenen Richtungen
im Raum gering, eine gute Voraussetzung für eine sehr gute Behaglichkeit.
Die hohen Innenoberflächentemperaturen führen zudem zu einer Verringerung
der Feuchtigkeit an der Bauteiloberfläche. Im Passivhaus
können bei wohnraumüblicher Nutzung luftfeuchtebedingte Feuchteschäden
an Außenbauteilen praktisch ausgeschlossen werden.
- Im Sommer liegt die
innere Oberflächentemperatur ebenfalls nahe an der Raumlufttemperatur,
d.h. sie ist geringer als bei schlecht gedämmten Bauteilen, die
Wärme in größerem Maß von außen nach innen transportieren. Für
das dynamische Verhalten des Außenbauteils haben hochgedämmte
Konstruktionen auch bei nur geringen Massen (z.B. einer doppelten
Gipswerkstoffplatte) eine hohe Temperaturamplitudendämpfung. Diese
ist so groß, dass allein dadurch ein optimales Sommerverhalten
des Bauteils erreicht wird. Wichtiger ist jedoch die lange Gebäudezeitkonstante,
die durch die gute Dämmung entsteht und die eine thermisch gut
zugängliche innere Gebäudemasse erst richtig nutzbar macht. Dadurch
kann ein Passivhaus durch Nachtlüftung gut gekühlt werden und
die Kälte tagsüber sehr gut halten – vorausgesetzt, die solare
Last ist auf ein vernünftiges Maß begrenzt.
- Hochgedämmte Bauteile
verzeihen in einem gewissen Ausmaß noch vorkommende Wärmebrücken
eher als mäßig gedämmte - gerade für Altbau-Sanierungen ist
das wichtig. Dies widerspricht der landläufigen Auffassung, ist
aber in zahlreichen konkreten Fällen bewiesen und kann leicht
verstanden werden: Weil die tragende Konstruktion und die innere
Bauteilschicht hinter einer dicken Dämmung liegen, sind diese
in den ungestörten Bereichen durch und durch warm. Wärmebrücken
bis zu einem gewissen Ausmaß können dem nicht schaden – ist ein
großer Teil der Konstruktion aber ohnehin schon kalt, wird
mit zusätzlichen Wärmebrücken der Taupunkt schnell unterschritten.
Selbstverständlich führen Wärmebrücken auch im Passivhaus zu zusätzlichen
Wärmeverlusten. Daher empfehlen wir, trotz der höheren Fehlertoleranz,
ein bewusst wärmebrückenfreies Konstruieren.
Auf
der 9. Passivhaus-Tagung werden neueste Erkenntnisse und Erfahrungen
mit hochwärmegedämmten Konstruktionen in Arbeitsgruppe 10
"Gebäudehülle" behandelt. Carsten Bisanz stellt ein mit erneuerbaren
Energien beheiztes Mehrfamilienpassivhaus vor, das als besonderen
Luxus ein beheiztes Atrium aufweist. Sören Peper kann mit Messergebnissen
aus einem nordorientierten (!!) Passivhaus beweisen, dass gute Wärmedämmung
wirksam zu hoher Behaglichkeit führt. Georg W. Reinberg zeigt
aus der Praxis, wie sich nachwachsende Rohstoffe zur Wärmedämmung
eines Passivhauses einsetzen lassen und Josef Seidl demonstriert
am Beispiel Lehm, wie ein Nischenprodukt zum industriellen Bausystem
werden kann. Oliver Kah klärt in seinem Referat über die
wesentlichen Einflussgrößen auf die Wirkung eines Bauteils
der Passivhaus-Gebäudehülle auf.
Vollständige Konstruktionsbeispiele
von Bauteilen für das Passivhaus gibt es auf der begleitenden Fachausstellung.
Vertreten sind u.a.:
- Mauerwerkskonstruktionen
mit Wärmedämmverbundsystem und wohlüberlegten Details zum Fußpunkt,
zum Fenstereinbau und zum Dachanschluss.
- Schalungselementetechnik
mit einem Komplettkatalog wärmebrückenfreier Anschlüsse sowie
Erkenntnissen zur luftdichten Konstruktion.
- Holztafelbau inklusive
aller relevanten Anschlussdetails mit unterschiedlichen Konstruktionen.
(zuletzt bearbeitet
: 01.03.2005 © Passivhaus Institut; unveränderte
Wiedergabe unter Angabe der Quelle gestattet)
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