Darf man im Passivhaus
die Fenster öffnen?

 


Eine oft gestellte Frage - hier die Antwort in aller Kürze:


Ja, man kann die Fenster öffnen.
Ja, man darf die Fenster öffnen.


In diesem Beitrag finden sich dafür Belege: Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen und Beispiele.

 


Die Heizzeit in einem Passivhaus ist nur kurz.
(Messwerte aus dem Passivhaus Darmstadt Kranichstein -
  Klick auf die Grafik liefert eine höhere Auflösung)



Das halbe Jahr wie Anfang Juni...
Altbau in Ludwigshafen, der mit Passivhaus-Komponenten
saniert wurde. Aufgenommen im Mai 2005 (Foto WF)

 
Die Passivhaussiedlung Wiesbaden wurde 1998 gebaut. Die im Folgenden dokumentierten Messergebnisse stammen aus dieser Siedlung (ein Projekt von Faktor10).




Messwerte aus der Passivhaussiedlung Wiesbaden zur Häufigkeit der Fensteröffnung: Diese ist von Nutzer zu Nutzer sehr verschieden, aber im Winter viel geringer als im Sommer. Alle hier beobachteten Nutzungsvarianten haben die Funktion der Häuser nicht beeinträchtigt.
(aus [Ebel 2001]).



Diese Grafik zeigt die Messwerte für den Heizwärmeverbrauch aus dem gleichen Jahr, in dem auch die Fensteröffnungen aufgezeichnet wurden. Die individuellen Verbrauchswerte sind deutlich unterschiedlich: Allerdings - die Fensteröffnung spielt für diese Unterschiede kaum eine Rolle. Auch der höchste Einzelverbrauch ist "eigentlich" ziemlich niedrig:
24 kWh/(m²a) entsprechend weniger als 2,5 Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr. Der Durchschnitt liegt bei 1 Liter. (ebenfalls aus [Ebel 2001]). Ganz rechts (abgetrennt) ist zum Vergleich der Durschschnitts-Heizwärmeverbrauch einer Siedlung nach gültiger Energiesparverordnung (EnEV) dargestellt. Genaueres zum Vergleich der Messwerte mit jenen in "gewöhnlichen Neubauten" finden Sie auf der Seite "Messergebnisse zum Heizwärmeverbrauch".


Korrelation? Fehlanzeige! Ein signifikanter Einfluss der Fensteröffnungszeit auf den Heizwärmeverbrauch ist nicht feststellbar. Woher kommen dann die Unterschiede?
Das wird hier erklärt.
Quelle: [Ebel, Kah 2003]


Gekippte Fenstertür in der Passivhaussiedlung in Wiesbaden; erkennbar ist auch der Sensor, der zur Aufzeichnung der Fensterstellung verwendet wurde (Pfeil).


Passivhäuser sparen Energie - nicht nur ein Bisschen, sondern umfassend. Und sie sparen nicht nur rechnerisch auf dem Papier, sondern in der Praxis. Diese Grafik zeigt gemessene Verbrauchswerte in Gebäuden im Bestand, in Niedrigenergiehäusern und in Passivhaussiedlungen.

In den 114 Passivhauswohnungen des CEPHEUS-Projektes wurde eine durchschnittliche Einsparung von 90% gemessen. Das Passivhaus ist ein Faktor-10-Haus: Nur ein Zehntel des durchschnittlich üblichen Heizenergieverbrauchs von Altbauten wird gebraucht.

Durch das aufeinander abgestimmte Konzept wird eine neue Qualität erreicht, die sich in sehr guter Behaglichkeit, Wohngesundheit und vertretbaren Baukosten zeigt. Das Passivhaus-Konzept ist frei verfügbar. Jeder kompetente Architekt kann ein Passivhaus entwerfen. Schritt für Schritt kann bei jeder Neubauplanung der Passivhausstandard erreicht werden - diese Seite zeigt das an einem Beispiel.

Ist der Bau von Passivhäusern wirtschaftlich? Eine Beispielrechnung finden Sie auf dieser Seite: Wirtschaftlichkeit von Passivhäusern.

Auch bei der Modernisierung von Altbauten können Passivhaus-Komponenten gute Dienste leisten - hier finden Sie Beispiele.

Passivhäuser kann man besichtigen: Einmal im Jahr ist der Tag des Passivhauses. An diesem Tag öffnen Hunderte von Passivhausbewohnern ihre Häuser, um es jedem Interessierten zu ermöglichen, einmal selbst zu erleben, wie es sich in einem Passivhaus wohnt. Der Tag des Passivhauses wird organisiert von der

 


Aktuelle Ergebnisse aus Passivhaus-Bauprojekten werden auf der Passivhaustagung in Arbeitsgruppen vorgestellt.

Mehr über die aktuelle Passivhaustagung: www.passivhaustagung.de.

Fenster im Passivhaus: natürlich öffenbar

Alle Passivhäuser, die vom Passivhaus Institut zertifiziert wurden, haben öffenbare Fenster. Nach Möglichkeit hat jeder Raum mindestens ein solches Fenster, optimal ist ein Dreh/Kipp-Beschlag.

Warum öffenbare Fenster?

Es gibt viele Gründe, aus denen Bewohner eines Hauses gern ein Fenster öffnen möchten: Jemandem etwas zurufen, die Vögel singen hören, kräftig Durchlüften,... Diese Wünsche der Bewohner sind vorrangig, auch dann, wenn sie zu einem erhöhten Energieverbrauch führen sollten (das ist aber in der Regel in einem Passivhaus gar nicht der Fall, siehe weiter unten).

Passivhäuser im deutschsprachigen Raum benötigen im Sommer keine aktive Kühlung (keine Klimaanlage). Sie bleiben dennoch in Hitzeperioden schön kühl - allerdings setzt das voraus, dass ein hoher Luftwechsel in der Nacht möglich ist. Und das geht am einfachsten mit geöffneten Fenstern. Ein Gebäude ohne in der Nacht öffenbare Fenster braucht entweder eine sehr starke maschinelle Lüftung (2 bis 5 facher Luftwechsel) oder eine Klimaanlage - und das gilt nicht nur für Passivhäuser.

Fast das ganze Jahr wie Anfang Juni

Sie kennen die Verhältnisse in einem traditionellen Haus Anfang Juni? Bei typischem Wetter in Mitteleuropa muss in einem traditionellen Haus im Juni nicht mehr geheizt werden. Zwar liegt die durchschnittliche Außentemperatur nur um 17°C, aber innere Wärmequellen und die Sonneneinstrahlung durch die Fenster heizen das Haus innen auf komfortable Temperaturen auf. Es kann sein, dass es manchmal sogar eher etwas zu warm wird. Dann machen die Nutzer die Fenster auf. Sollte es ihnen allerdings zu kalt werden, dann machen sie die Fenster wieder zu. Anfang Juni sind in Mitteleuropa fast alle Häuser Passivhäuser.

In einem richtigen Passivhaus ist der Jahresabschnitt, in dem das Haus ganz ohne Heizung funktioniert, auf einen viel längeren Zeitraum ausgedehnt. Je nach Standort, Nutzung und Besonnung beginnt dieser Zeitraum im März oder April und endet im Oktober oder November. In diesem Zeitraum wird man in einem Passivhaus die Fenster so nutzen, wie in traditionellen Häusern im Juni allgemein üblich:

"Ich mache die Fenster auf, wann immer ich das Bedürfnis dazu habe. Sollte es mir dann zu kühl werden, mache ich das Fenster wieder zu. Es wird dann schnell (innerhalb von 2 Minuten) auch ohne Heizung wieder warm."

So die Aussage einer langjährigen Passivhaus-Bewohnerin.

Und wie ist das im Winter?

Im Passivhaus fällt die Zeit, in der ein Heizbetrieb stattfindet, ziemlich genau mit dem "Winter" nach dem Kalender zusammen: Die Heizung wird ab Mitte Dezember gebraucht und geht Mitte März außer Betrieb (je nach regionalem Klima, Nutzung und Baudetails kann sich der Zeitpunkt um plusminus einen Monat verschieben). In der übrigen Zeit ist die Heizung aus und die Fensternutzung wie im letzten Abschnitt beschrieben.

Wenn bei Heizbetrieb die Fenster geöffnet werden, dann entsteht natürlich ein zusätzlicher Wärmeverlust. Darin unterscheiden sich Passivhäuser und traditionelle Häuser ebenfalls nicht.

Zahlreiche in den letzten Jahren publizierte Untersuchungen zeigen, dass in der Kernzeit des Winters die Bewohner Fenster sehr viel seltener öffnen als zu anderen Zeiten (vgl. linke Spalte). Das ist gut verständlich, denn ein geöffnetes Fenster bei Frost oder Sturm oder während Niederschlägen verbessert die Behaglichkeit nicht. Das "normale" winterliche Fensteröffnungsverhalten sorgt nicht einmal für einen ausreichenden Luftwechsel, um eine einigermaßen akzeptable Qualität der Innenluft zu gewährleisten. Das zeigen einerseits die häufigen Feuchteschäden in traditionellen Häusern und andererseits Messungen der Innenraumluftbelastungen - sowie darüber hinaus auch direkte Messungen des Luftwechsels. Deshalb gibt es auch die Broschüren der Wohnungswirtschaft, die versuchen, intensiv über die Notwendigkeit einer verstärkten regelmäßigen Fensterlüftung aufzuklären. Für normale Nutzer ist das lästig und oft sogar unmöglich: Eigentlich muss man in einem traditionellen Haus alle 3 bis 4 Stunden die Fenster für 3 bis 8 Minuten vollständig öffnen, um die alte Luft komplett auszutauschen, am Tag und in der Nacht. In der Praxis wird im Winter viel weniger gelüftet - und wenn da nicht die ständigen Mahnungen wären, mehr zu lüften, noch weniger. (Mindesten alle 6 Stunden müsste Stoßgelüftet werden - vgl. Ergänzungen zur Wohnungslüftung; weil das in der Praxis überwiegend nicht funktioniert, ist die Lüftung so eine wichtige Aufgabe).

Im Passivhaus ist das Lüftungsproblem gelöst: Eine ausreichende Versorgung mit frischer Luft ist immer gewährleistet. Die im Haus erzeugte Feuchtigkeit und die Innenraumluftbelastungen werden garantiert abgeführt - ob die Bewohner nun Fenster öffnen oder nicht. Die Fenster öffnen, das geschieht jetzt nur noch, wenn die Nutzer dies aus irgendeinem Grund wirklich wollen.

Und dennoch kein überhöhter Wärmeverlust?

Natürlich erhöht ein zusätzliches Fensteröffnen im Winter die Wärmeverluste und bei Heizbetrieb auch den Wärmebedarf eines Hauses - beim Passivhaus genau wie bei einem traditionellen Haus.

Überraschend für die Wissenschaft war, dass dieser Zusatzverlust in 95% aller Nutzungsfälle vernachlässigbar ist und in allen Fällen nicht so hoch ist, dass die Funktion des Passivhauses in Frage gestellt wird. Der Energieverbrauch wird etwas höher - in der Regel um 1 bis 2 kWh/(m²a) und in extremen Fällen um bis zu 17 kWh/(m²a) - er bleibt aber immer extrem niedrig im Vergleich zu den in anderen Häusern üblichen Verbrauchswerten. Die Verbrauchsunterschiede, die durch verschiedene Temperaturwünsche in der Wohnung entstehen, sind sehr viel größer.

Es ist somit immer sinnvoll, ein Passivhaus zu bauen - und dazu muss man seine Gewohnheiten nicht ändern. Allerdings kann man sich das Fensterlüften im Winter auch sparen - es bleibt totzdem behaglich und es gibt immer frische Luft im Haus.

Kaum zu glauben...

Das klingt so einfach, es entspricht aber nicht den Vorstellungen der meisten Personen, die sie von einem Energiesparhaus und gar einem "extremen" Energiesparhaus, wie dem Passivhaus, haben.

Das ist verständlich und berechtigt, denn Skepsis gegenüber dem Neuen und Unbekannten schützt vor Enttäuschungen.

Im Fall der Fensteröffnung im Passivhaus liegen aber schon jahrelange Erfahrungen vieler Nutzer vor. Hier finden Sie die Aussage eines Passivhaus-Bewohners, der es in seinen Worten schildert:

"'Ob wir die Fenster im Winter öffnen möchten und wie lange, bleibt unsere Entscheidung. Auf das Konzept des Passivhauses hat das einen vernachlässigbaren Einfluss. Zumal bei Minusgraden will niemand - auch in herkömmlichen Häusern nicht - Fenster und Türen länger als ein paar Minuten offenstehen lassen. Es ist in der Regel aber nicht notwendig, die Fenster zu öffnen, da die Lüftungsanlage (nicht zu verwechseln mit einer Klimaanlage) ständig für eine ausreichende Menge Frischluft sorgt. Das Raumklima hat eine höhere Qualität als ein durchschnittlicher Neubau, bei dem das eigentlich im Winter notwendige mehrfache Durchlüften meist entfällt. Schimmelprobleme durch interne Feuchtigkeit können in einem Passivhaus nicht auftreten. Im Sommer ist ein Passivhaus ein normales Haus, bei dem man zur Kühlung nachts die Fenster öffnet. Das Haus, in dem ich wohne, wurde mit 13,6 kWh pro Quadratmeter und Jahr geplant und erreicht nach Messung 12,9 kWh: Passivhaus 'Wohnen & Arbeiten' mit realem Benutzerverhalten ohne Einschränkungen des Verhaltens.''

Da das Passivhaus aus der Phase der Forschung und Entwicklung längst heraus ist - es ist seit Jahrzehnten gelebte Praxis - gibt es einen einfachen Weg, herauszufinden, wie es sich konkret verhält: Passivhäuser kann man besichtigen und mit den Bewohnern sprechen. Am Tag des Passivhauses können Interessierte die Vorzüge durch eigene Erfahrungen kennenlernen: Bauherren und Eigentümern von Passivhäusern ermöglichen Ihnen einen Besuch. Das Passivhaus ist ein Konzept für jedermann. Jeder Bauherr, Architekt, Bauträger oder Investor kann und darf ein Passivhaus bauen.

Das Passivhaus ist kein Markenname, sondern ein Baukonzept, das allen offen steht. Hier finden Sie Beispiele: Passivhaus-Beispiele. Dennoch kann jeder die Qualität seines Passivhauses von unabhängiger Seite prüfen lassen. Hierzu gibt es Angebote von verschiedenen Qualitätssicherungsbüros.

Auch in einem Altbau lassen sich Passivhauskomponenten einsetzen, siehe: Passivhaus-Altbau.

Einen Überblick zu den Informationen finden Sie mit diesen Link: Verzeichnis-Passivhaus.

Hier gibt es mehr Informationen zum Passivhauskonzept.

Hier gibt es Informationen zur Wirtschaftlichkeit.

 

Literatur

[Ebel 2001] W. Ebel, M. Großklos, T. Loga, K. Müller, B. Steinmüller: Wohnen in Passiv- und Niedrigenergiehäusern, IWU, 1. Auflage 2001 (vgl. auch den folgenden im Internet frei verfügbaren Auszug: Passivhaussiedlung Wiesbaden ( pdf)

[Ebel, Kah 2003] W. Ebel, O. Kah: Tracergasmessungen: Auswirkungen von Fensteröffnung bei kontrollierter Lüftung; im Tagungsband der 7. Passivhaustagung Hamburg, Passivhaus Institut, 1. Auflage 2003

(aktualisiert 16.09.2006 Autor: Dr. Wolfgang Feist 
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