Klimaschutz heute


Inzwischen haben es fast alle gemerkt: "Unsere Erde hat Fieber" titelte die "Bild"-Zeitung am 5. November 2006 auf der ersten Seite. Am 2. Februar 2007 hat das IPCC ("Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen") seinen neuen Bericht "Climate Change 2007" publiziert. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass es an der Zeit ist zu handeln.

Unser Institut hat sich dem Aufzeigen von Schreckensvisionen immer enthalten. Der Wissenschaft sind die Zusammenhänge bereits seit Ende der siebziger Jahre bekannt: Kohlenstoff war ursprünglich in großen Mengen als CO2 in der Erdatmosphäre vorhanden. Niederschläge und Pflanzen haben dieses CO2 im Laufe von Jahrmilliarden bis auf einen kleinen Rest von unter 0,03% aus der irdischen Lufthülle ausgewaschen und gebunden, z.B. in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas. Seit gut zwei Jahrhunderten holen nun wir Menschen diesen Kohlenstoff wieder in großen Mengen aus seinen Lagern und nutzen ihn als Energieträger. Die kohlenstoffhaltigen Brennstoffe werden verbrannt - dabei entsteht wieder CO2. Und dieses CO2 wird wieder dahin zurückbefördert, wo es vor hunderten von Millionen Jahren einmal herkam: in die Atmosphäre.

Dass dies zu schweren und nicht wünschenswerten Veränderungen des Weltklimas führen kann, ist ebenfalls lange bekannt. Auf unserem Nachbarplaneten Venus herrschen an der Oberfläche höllische Temperaturen von um 450 °C. Verantwortlich denkende und handelnde Menschen, wie unser früherer Umweltminister Prof. Klaus Töpfer, haben schon seit vielen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Menschheit mit ihrem ungebremsten Konsum an Brennstoffen die globale Erwärmung auslöst. Wer es wissen will, kann sich informieren: Es gibt viele seriöse wissenschaftliche Informationsquellen, allen voran das IPCC, dem Wissenschaftler aus fast allen Ländern dieser Welt angehören. (eine gute Aufbereitung der Daten findet sich auf dieser englischsprachigen Seite: http://www.globalwarmingart.com.)

Das Passivhaus Institut muss den verfügbaren guten Informationen über den Klimawandel hier keine zusätzlichen hinzufügen. Die Folgen einer weiteren ungedämpften Abgabe von Treibhausgasen in die Atmosphäre können furchtbar und nicht umkehrbar sein. Auch dies wird allmählich deutlich, weil Teile der Folgen bereits heute für alle leicht zu erkennen sind, wie z.B. die Gletscherschmelze.

Aber: Diese Entwicklung ist nicht unvermeidbar. Die schlimmsten Folgen können durch verantwortliches Handeln auch heute noch vermieden werden.

Das Passivhaus Institut arbeitet seit seiner Gründung an der Entwicklung von Konzepten, die helfen, die schlimmsten Folgen abzuwenden. Und das ist die gute Nachricht: Es gibt eine große Vielzahl von Möglichkeiten, die weitere Abgabe von CO2 in die Atmosphäre stark zu beschränken. Und diese Möglichkeiten erfordern nicht etwa den Verzicht auf Wohlstand, Wachstum und Behaglichkeit. Ganz im Gegenteil: Sie bieten sogar eine Chance, das Wirtschaftsleben nachhaltiger, humaner und zukunftsoffener zu gestalten und unser Leben angenehmer zu machen.

Klimaschutz muss heute beginnen. In dieser Reihe werden Seiten folgen, die Möglichkeiten für praktisches Handeln zeigen. Handeln, dass sich nicht in schönen oder radikal klingenden Worten erschöpft. Handeln, das dazu beiträgt, den Klimawandel so zu begrenzen, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine Erde überlassen können, in der das Leben weiterhin lebenswert ist.

 

Dr. Wolfgang Feist leitet das Passivhaus-Institut in Darmstadt. Er ist Dipl.-Physiker und promovierter Bauphysiker.

 

Hier gibt es konkrete Energiespar-Tipps vom Fachmann.



Unser Nachbarplanet Venus
(Radarbild NASA):
Oberflächentemperaturen bei 450°C
vor allem Dank CO2-Konzentration von 96%.


Die Erde aus dem All (Foto: Nasa).

Derzeitige CO2-Konzentration: 0,038 %
Mittlere Oberflächentemperatur: 15,5 °C.
Der wunderbare blaue Planet mit idealen Bedingungen für flüssiges Wasser und vielfältige Lebensformen..


Das Nordpolargebiet (Foto: NASA): ein Thermometer. Die Temperaturen erhöhen sich in den letzten Jahrzehnten so stark, dass sich das Eis großflächig zurückzieht und uns dadurch die Temperaturerhöhung anzeigt.
Ein anderes Langzeit-Thermometer sind die Gletscher: Der folgende Artikel in Wikipedia behandelt den Sachverhalt: Gletscherschmelze.

Wo liegen die Ursachen?
Der Klimawandel wird vor allen Dingen durch den Energieverbrauch verursacht

Etwa 85% des heutigen weltweiten Energieverbrauchs wird aus Erdöl, Erdgas und Kohle gedeckt. Diese Brennstoffe werden auch "fossile Energieträger" genannt. Sie bestehen im wesentlichen aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff - bei der Verbrennung werden die Energieträger in CO2 und Wasser (H2O) verwandelt. Heute werden diese Verbrennungsgase überwiegend (zu über 99%) einfach an die Atmosphäre abgegeben. Während dies für das Wasser unproblematisch ist, erhöht sich der globale CO2-Gehalt durch die Verbrennung der fossilen Energieträger ständig, deutlich und messbar (vgl. die folgende Abbildung). Das CO2 in der Atmosphäre behindert die Wärmeabstrahlung von der Erdoberfläche in das (sehr kalte) Weltall, da CO2 ausgerechnet in den wenigen Spektralbereichen, in denen die Atmosphäre für Temperaturstrahlung durchlässig ist, diese Strahlung wieder absorbiert. CO2 wirkt dadurch wie eine zusätzliche Wärmedämmschicht um die Erde: Eine Dämmschicht, die aber für die eintreffende Sonnenstrahlung durchlässig ist. Die Sonnenstrahlung ist die Hauptenergiezufuhr an die Erdoberfläche: In sehr guter Analogie spricht man daher auch vom Treibhauseffekt.


Quelle der Daten: [C.D. Keeling, T.P. Whorf, and the Carbon Dioxide Research Group Scripps Institution of Oceanography (SIO)], University of California, La Jolla
(Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Version)

Die Zunahme des CO2-Gehaltes in der Erdatmosphäre. Diese Zeitreihe wurde aus quantitativ analysierten Luftproben des Mauna Loa Observatoriums auf Hawaii gewonnen. Gut ist der Jahresgang des CO2-Gehalts durch den Vegetations-wechsel auf der Nordhalb-kugel zu erkennen. Seit 1900 hat die Konzentration an CO2 von 293 auf 380 ppm, also um 30%, zugenommen. Das zusätzliche CO2 stammt fast ausschließlich aus Verbrennungsprozessen.

(1ppm = 1 part per million =
0,0001 %)



Treibhausgase bilden so etwas wie eine "selektive" Schicht um die Erde: Sie lassen die kurzwellige Solarstrahlung nahezu ungestört durch, absorbieren aber langweillige thermische Strahlung der Erdoberfläche.
Vereinfachtes Schema zur Wirkung der Treibhausgase: die durch die Sonne erwärmte Erdoberfläche strahlt als Temperaturstrahler im langwelligen (infraroten) Bereich. Diese Strahlung wird durch die Treibhausgase großteils absorbiert, dann aber wieder in alle Richtungen abgestrahlt. Teils zurück zur Erdoberfläche (Gegenstrahlung), teils in das sehr kalte Weltall. Steigt die Konzentration der Treibhausgase, so findet immer weniger Wärmestrahlung den direkten Weg.

Die Industrieländer verbrauchen noch immer die meiste Energie

Der Weltenergieverbrauch wird überwiegend aus Kohle, Öl und Erdgas gedeckt - und dieser Verbrauch findet vor allem in den Industrieländern statt: Etwa 75% des heutigen Verbrauchs wird von knapp 25% der Weltbevölkerung, eben den Menschen in den Industrieländern, verbraucht.

Die Ursachen für den heute schon beobachteten Klimawandel liegen also hier, sie liegen nicht in den Entwicklungsländern. Allerdings holen viele der bevölkerungsreichsten Länder dieser Welt heute bezüglich ihres Energieverbrauchs auf: So z. B. China, dessen Verbrauch gerade in den letzten Jahren kräftig zugenommen hat. Dies war für die stark steigenden Weltmarktpreise beim Rohöl verantwortlich. Die Länder der Welt orientieren sich bei ihrer Entwicklung sehr stark am Vorbild der heutigen Industrieländer. Weil hier immer noch der Verbrauch an Energie als schick und als Zeichen von hohem Wohlstand gilt, streben auch und gerade die sich neu entwickelnden Industrieländer nach der Verfügung über viel Energie.

Wie schick ist ein hoher Energieverbrauch?

In vielen alten energiewirtschaftlichen Publikationen wird der Pro-Kopf-Energieverbrauch der Bevölkerung eines Landes geradezu als Maßstab für den Entwicklungsstand betrachtet. Die Volkswirte, Geographen und Soziologen haben sich häufig ebenfalls dieses sehr einfach zu erhebenden Maßstabes bedient. So konnte sich der Irrtum, ein hoher Energieverbrauch sei ein Maßstab von Wohlstand und Entwicklungsstand, in den Köpfen der Politiker und einem großen Teil der Bevölkerung festsetzen.

Diese Einschätzung, "hoher Energieverbrauch" = "hoher Wohlstand" ist aber völlig falsch.

Sie stellt die Tatsachen auf den Kopf: Ein hoher spezifischer Energieverbrauch ist kein Zeichen von Wohlstand - es ist vor allem ein Zeichen von Ineffizienz. Vor allem veraltete, ineffiziente Gebäude, Fahrzeuge, Maschinen und Arbeitshilfen haben einen hohen Energieverbrauch. Moderne, zukunftsweisende Technik geht immer effizienter mit Energie um.

Illustration 1: Ineffiziente Volkswirtschaften



Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Energie-Verbrauch von 7,8 Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE) lag der Primärenergieverbrauch je Einwohner in der früheren DDR um etwa vierzig Prozent höher als in der alten Bundesrepublik (5,48 Tonnen SKE). Der Vergleich von Wirtschaftskraft und Wohlstand in diesen beiden Staaten ist gut bekannt: Die Gebäude, Fahrzeuge und Maschinen waren in der früheren DDR um ein Vielfaches weniger effizient als in der Bundesrepublik. Nicht auf die Quantität des Verbrauchs, sondern auf die Qualität der Nutzung kommt es an. Peinliche Ironie: In einigen energiewirtschaftlichen Textbüchern wurde dieses Beispiel aus Unkenntnis der Staatsbezeichnungen verdreht: 'Aus dem erkennbar höheren Wohlstand in der DDR (hic!, dieser Autor hielt die "demokratische Republik" für Westdeutschland) resultiere der höhere Energieverbrauch.'

 

Illustration 2: Lokomotiven



Nicht ohne Grund ist die Bahn systematisch von Dampflokomotiven auf E-Loks umgestiegen. Selbst die Elektrifizierung der gesamten Strecken, eine teure Investition, lohnte sich dafür: Die besten Dampf-Loks kamen gerade mal eben auf Wirkungsgrade um 10%. Der Primärenergiewirkungsgrad der elektrischen Traktion liegt immerhin bei um 30% und er könnte noch ganz erheblich gesteigert werden. Denn heute betriebene Kraftwerke wurden in Zeiten gebaut, in denen Energieträger noch sehr viel billiger waren und moderne Technologien, wie der Gas-und-Dampf-Prozess, noch nicht entwickelt waren (GUD-Kraftwerk). Eine Rückspeisung von Bremsenergie wird heute noch sehr selten praktiziert - und das Gewicht der Fahrzeuge lässt sich noch weiter reduzieren.

 

Illustration 3: Passivhaus


Die Altbauten in Europa verbrauchen im Durchschnitt mehr als 16 Liter Heizöl je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr allein für die Heizung. Das trägt zu etwa einem Drittel zum gesamten Energieverbrauch in Europa bei.

Passivhäuser, wie sie inzwischen überall in Europa gebaut wurden, reduzieren den Verbrauch für die Heizung auf weniger als ein Zehntel im Vergleich zum Ist-Zustand (1,5 Liter je Quadratmeter). . Und dabei wird der Wohnkomfort sogar noch verbessert. Auch Altbauten lassen sich mit besserer Wärmedämmung und Wärmerückgewinnung nachrüsten. Europa kann so unabhängier werden von Energieimporten - und zugleich entsteht Beschäftigung für innovative Unternehmen und für das Handwerk. Die erforderlichen besseren Dämmmaßnahmen und die Lüftungstechnik ist dabei bei heutigen Energiepreisen unter Wahrnehmung der kfW-Kredite wirtschaftlich.

Die Beispiele lassen sich leicht fortsetzen. In unseren Beiträgen zum Thema "Energieeffizienz" und "Wirkungsgrad" finden Sie eine Menge weiterer Beispiele, aber auch grundsätzliche Überlegungen dazu, wie und warum die Energieeffizienz nahezu überall sehr weitgehend gesteigert werden kann: Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung ist nämlich heute keinesfalls die technische Grenze für bessere Energieausnutzung erreicht - noch nicht einmal annähernd .

Aus der genauen Analyse des Sachverhalts kommen wir zu einem klaren Schluss, der für manche Ökonomen überraschend und für die meisten Energiewirtschaftler unerhört klingen wird:

Ein hoher pro-Kopf-Energieverbrauch ist kein Zeichen für Wohlstand, sondern ein Zeichen für Ineffizienz und Rückständigkeit.

Das gilt im Übrigen auch für den Straßenverkehr. Die Effizienz von Fahrzeugen kann ebenfalls erheblich gesteigert werden, ohne dass dies auf Kosten von Komfort und Geschwindigkeit geht. Wenn wir in Europa, das mit zur Spitzengruppe des hohen Verbrauchs in der Welt gehört, unseren Wohlstand und unsere Wirtschaftskraft in Zukunft halten und verbesseren wollen, dann müssen wir vor allem eines tun:

Die Effizienz der Energieanwendung erhöhen

Das hat z.B. die Europäische Kommission sehr wohl erkannt. Dass ausgerechnet einige deutsche Interessengruppen nun Bremser in der Entwicklung zu mehr Energieeffizienz sind, will nicht in das Bild der fortschrittlichen deutschen Wirtschaft passen. Hier ist erheblich mehr Engagement gefragt, wenn wir künftig weiter am Weltmarkt bestehen wollen. "Nicht die Reduzierung der CO2-Abgaswerte führt zum Verlust von Arbeitsplätzen; den Verlust wird es vor allem dann geben, wenn die notwendige Reduzierung nicht eingeleitet wird" - hier muss dem EU-Kommissar Dimas zugestimmt weden.

Es fügt sich sehr gut, dass bei der Verbesserung der Energieeffizienz zugleich auch die Abgabe von CO2 in die Atmosphäre stark reduziert wird. Die Strategie, die gut ist für unseren künftigen Wohlstand und die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist zugleich gut für den Erhalt der Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Allerdings: Diese Entwicklung hin zu erheblich verbesserter Effizienz muss teilweise gegen die Widerstände.reicher und mächtiger Kartelle durchgesetzt werden.

 

Fazit:

Es ist erwiesen, dass der Klimawandel schon heute stattfindet.

Die Ursachen liegen in den Verbrennungsprozessen von Kohle, Erdöl und Erdgas.

Ernsthaftes Handeln ist unausweichlich, wenn unseren Kindern und Enkeln eine noch lebenswürdige Zukunft bleiben soll.

Der Energieverbrauch ist der Schlüssel zur Lösung des Klimaproblems.

Ein hoher Energieverbrauch ist kein Zeichen von Wohlstand, sondern ein Zeichen von Ineffizienz.

Effizientere Energienutzung kann hier und heute eingeleitet werden. Sehr viel effizientere Technologien stehen bereits zur Verfügung und sind wirtschaftlich einsetzbar, wie z.B. das Passivhaus oder das "Low Resistance Motorcar". Andere können in wenigen Jahren entwickelt und wirtschaflich eingesetzt werden.

Mit erheblich effizienterer Energienutzung kann der Energiebedarf auch in den Industrieländern so stark verringert werden, dass eine nachhaltige Versorgung möglich wird. Der fossile Energieverbrauch ist dann sehr gering - ohne dass es zu Einschränkungen beim Wohlstand kommt. Das Passivhaus ist ein gutes Beispiel dafür.

Die CO2-Abgabe in die Atmosphäre kann innerhalb von etwa 50 Jahren auf deutlich weniger als ein Zehntel des heutigen Wertes abgesenkt werden - bei gleichzeitigem Wachstum des Wohlstandes in der Welt.

In loser Folge werden weitere Beiträge in dieser Reihe erscheinen.

am 19.12.2006: "Energieeffizienz und Erneuerbare Energiequellen"

am 03.02.2007: "Klimaschutz, Folge 3: Der Energienutzen"

 

Link zu Informationen zum Passivhaus: Passivhaus-Grundlagen.

Link zur Homepage der Passivhaustagung: Passiv Haus Konferenz.

Link zur Homepage des Passivhaus Institutes:

(aktualisiert 02.02.2007 Autor: Dr. Wolfgang Feist (Erstveröffentlichung: 05.11.2006)
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